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Gib mir deine Seele

Gib mir deine Seele

Titel: Gib mir deine Seele
Autoren: Jeanine Krock
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die Tür zum Wohnraum der Suite.
    »Setz dich!« Seine emotionslose Stimme traf sie wie ein Schlag. Der Traummann hatte sich in einen Businesstypen verwandelt. Er drehte sich nicht einmal zu ihr um.
    Befangen folgte sie seiner Anweisung, setzte sich an den elegant gedeckten Tisch und beobachtete, wie er einen Packen Unterlagen in eine flache Tasche schob. Vermutlich bereitete er sich auf seinen Arbeitstag mit einer Fülle wichtiger Termine vor.
    Dieser Gedanke löste Unruhe in ihr aus. Nicht etwa, weil sie hier mit einem Geschäftsmann zusammensaß. Sein kühles Verhalten machte es auf gewisse Weise sogar erträglicher, nicht zu wissen, ob sie miteinander geschlafen hatten. Aber da war noch etwas. Etwas Bedeutsames. »Verdammt! Es fällt mir einfach nicht ein.« Erschrocken sah sie zu Constantin hinüber, als sie merkte, dass sie ihren Gedanken laut ausgesprochen hatte. »Entschuldigung!«
    »Schon gut«, sagte er und wandte sich endlich um. Seine Stimme klang eine Spur wärmer, fast so, als hätte er Mitleid mit ihr. Ohne eine Antwort abzuwarten, setzte er sich ruhig ihr gegenüber auf einen Stuhl und schenkte Kaffee ein. »Milch?«
    Pauline nickte und sah ihn an. »Ja, bitte.« Und dann, einfach so, konnte sie den Blick nicht mehr von seinen Augen lösen. Augen, die so strahlend blau waren, dass sie darin zu ertrinken drohte …
    Ein melodisches Klingeln ertönte. Suchend sah sie sich um. Der Zauber war gebrochen. Zum zweiten Mal.
    »Das ist deins. Willst du nicht rangehen?«
    Als sie ihr Handy endlich in der Handtasche fand, die glücklicherweise über einer Stuhllehne hing, hatte der Anrufer schon aufgelegt. Kurz darauf piepste es aber, und eine Nachricht erschien auf dem Display: *Confirmation Hôtel Saint-Georges, Paris* Bei Anreise nach achtzehn Uhr: Schlüssel im Bistro. Bon voyage. Die Reservierungsbestätigung ihrer Pension!
    »O nein! Wie konnte ich das vergessen?« Aufgeregt wühlte Pauline in der Tasche und zog schließlich Zugtickets hervor. »Sie sind verfallen. Wie soll ich denn jetzt nach Paris kommen?« Tränen schossen ihr in die Augen, und sie schlug die Hände vors Gesicht.
    »Nun mal langsam.« Constantins Stimme wirkte plötzlich wie Balsam. »Was ist überhaupt los?«
    Verlegen rieb sie sich die Augen trocken und schob die Fahrkarten über den Tisch. »Dies hier galt nur für den Nachtzug. Es ist abgelaufen«, sagte sie noch einmal.
    Nach einem kurzen Blick auf die Tickets sah er sie fragend an. »Wo ist das Problem? Dann buchst du eben um. Dein Anschlusszug nach London fährt erst morgen Abend. Bis dahin bist du längst in Paris.«
    Ihr Konto war bis zum Anschlag überzogen, weil sie die Reise vom letzten Rest bezahlt hatte, und eine Kreditkarte besaß sie nicht. Wer hätte ihr schon Kredit geben wollen?
    Pauline sah sich um und nahm zum ersten Mal bewusst den Luxus wahr, der sie umgab. Wer in so einem Hotel abstieg, hatte wahrscheinlich den Bezug zur Wirklichkeit verloren und keine Ahnung, wie es war, sich mit einem Hungerlohn durchschlagen zu müssen. Schweigend wartete sie darauf, dass er begriff.
    Nach einer Weile wurde seine Miene nachdenklich. »Ist es nicht umständlich, mit dem Zug quer durch Europa zu reisen?«
    Langsam, als spräche sie mit einem Kind, sagte sie: »Natürlich ist es das. Aber es ist bezahlbar – sofern man im Voraus fest bucht. Zumindest in diesem Fall.«
    Endlich schien er zu verstehen. »Und für eine neue Fahrkarte fehlt dir das Geld.«
    »So ist es.« Sie mochte das Mitleid in seiner Miene ebenso wenig wie zuvor die Ignoranz. »Außerdem würde ich erst mitten in der Nacht ankommen. Nicht die besten Voraussetzungen für ein erfolgreiches Vorsingen.«
    »Du bist also Sängerin.«
    Warum ihn das jetzt so sehr interessierte, dass er sie mit seinem Blick geradewegs zu durchbohren schien, war ihr ein Rätsel. »Ja, wenn man mich singen lässt. Für Venedig scheine ich nicht gut genug zu sein.« Der Gedanke schmerzte.
    Erstaunlicherweise wirkte Constantin, als wollte er widersprechen, aber dann schwieg er doch. Ein kurzes Lächeln erhellte sein Gesicht, und er griff nach dem Smartphone, tippte aufs Display und lauschte. Offenbar wurde am anderen Ende sofort nach dem ersten Läuten abgehoben. In schnellem Französisch, das den Muttersprachler verriet, verlangte er nach Flugverbindungen von Venedig nach Paris. »Mademoiselle Pauline …« Er hielt eine Hand über das Gerät. »Wie heißt du mit Nachnamen?«
    »Roth. R-o-t-h«, buchstabierte sie, ohne nachzudenken,
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