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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Aber auch das ist richtig: Wir wagten Anada kaum anzureden, so feierlich, so grundsätzlich wirkte sie in diesem Augenblick. Sie hielt sogar das tropfende Rübenkrautbrötchen weiter in der Hand vor Fassungslosigkeit. Die Katze blieb auf ihrem Schoß liegen, gähnte nur vergeßlich in die Luft. Das war’s.«
    Stille. Jetzt erst habe ich den Becher von den Würfeln gehoben. Erst jetzt stellt sich ja die Frage, wie die Dinge zusammenhängen. Hans muß sich über die Augenzahlen beugen und die Summe bestimmen.
    Wie kühl seine Stimme klingt.
    »Korrekte Reihenfolge, gekonnte Steigerung! Sie haben mich, Frau Wäns, gegen die Verabredung gequält. Als extrem großmütiger Mensch lasse ich Sie trotzdem nicht warten. Deshalb zu Ihnen und rundheraus: Was Sie auch empfinden mögen, im Grunde ist da nichts, auch wenn Sie sich in den Kopf gesetzt haben, es könnte dort was sein. Klar, wer hätte es nicht gern sinnvoll in seinem Leben. Da sind wir alle gefräßig. Stellen Sie jetzt einmal Ihre Szenen ruhig um: Andeutung, Vorzeichen, Blut oder Tod sind immer dabei. Daraus läßt sich was Schönes machen. Sie könnten genausogut die Libelle Steinert, die Hochzeitstorte und die Rohrdommeln zu einem Rätsel basteln. Was weiß ich! Nehmen Sie es lieber lässig, nicht allzu tiefsinnig. Festzustellen ist, daß in allen drei Fällen nicht adäquat reagiert wurde, nämlich übertrieben heftig. Bei Hehe meine ich die Bemerkung mit der›Strafe‹. Für Sie als Naturfreundin, nicht wahr, wenn ich mich nicht täusche …«
    Grausig kühl. Ich bin ihm zu nahe getreten. Der Schmerz füllt jetzt die Größe meines Brustkorbs aus. Um ein Restchen Wärme zu spüren, wünsche ich dringend, er würde zurück zum dumm verwandtschaftlichen »Du« überwechseln, so zurückweisend hört sich sein »Sie« an, das mich noch vor kurzem glücklich zittern ließ.
    »… möchte ich folgende dynamische Interpretation empfehlen: In der ersten Szene werden die Tiere mit Lust von Menschen umgebracht. In der zweiten, mit dem bekehrten Ökometzger, geht es um Reue und Buße angesichts der erwähnten menschlichen Schandtaten der Massenschlachtung. Das ist die schlichte Erklärung Ihrer mysteriösen ›Strafe‹, Frau Wäns. Dritter Fall – schön übrigens, daß Sie die genuine Verstellungskunst der beiden Individuen herausarbeiten –«:
    Habe ich das?
    »Gegenangriff der Tiere, stellvertretend. Zufrieden und gesättigt mit Sinn und Ziel, Luise Wäns?«
    Kann denn sein, daß lediglich eine beschränkte Frau und ein verbitterter Mann durch diesen nebligen Verhau tapsen und irren?
    »›Gegenangriff der Tiere‹. Danke, Herr Scheffer. Mich fröstelt sehr.«
    »Mistzeug! Da bin ich wahrhaftig in einen der verfluchten Brombeerbüsche gefallen, das heißt, ich habe ihn unfreiwillig umarmt. Sehen Sie? Gegenangriff der Brombeerranken. Bloß weg hier.«
    Er kichert, weil er sich offenbar an irgendwas erinnert:
    »Die Jacke wird von keiner Ehefrau oder deren Mutter zu retten sein. Bloß weg. Was haben wir in dem Wirrwarr verloren.«
    Sähe ich nur ein Blitze schleuderndes Gewittergesicht! Selbst kalt oder boshaft versengende Augen will ich ertragen, wenn nurSichtbarkeit und Deutlichkeit herrschten. Wir werden eingekreist von den Rohrdommelrufen. Es schwillt etwas an, wir gehören zu dieser Stunde nicht hierher, der Platz ist für andere reserviert. Etwas zieht ein im Schutz des Milchigen, behauptet sich, füllt alle Lücken, steigt aus jedem schimmligen Spalt, jeder Rindenritze und Wurzelhöhle. Eine Schauerlichkeit will uns niederwalzen von oben, ich weiß nicht, einschlürfen von unten, waagerecht verscheuchen? Zwischendurch die Sonne, aber zum totenblassen Mond verschleiert. Es tropft und trieft mittlerweile die Gräue. Ja, weg mit uns. Wir bemühen uns doppelt eifrig, in Dämmern oder Dunst zielstrebig voranzukommen, durch das ehemalige Reich von Hans hindurch zum Tristanweg. Da höre ich ihn, mal weiter entfernt, mal näher, wieder singen:
    »Idol mio, idol mio!« ironisch röchelnd. Er hat gesagt, das sei wohl von allen Opernphrasen die abgedroschenste.
    »Herr Scheffer?«
    Ich sehe ihn nur in Umrissen, mal näher, mal weiter entfernt.
    »Idol mio! Che beltà!« schmelzend.
    Süß krächzender Wohlklang.
    »Herr Scheffer? Herr Scheffer!«
    Mal hier, mal dort, mal verloren schluchzend, mal schmähend, wie die Rohrdommeln, von allen Seiten und unsichtbar.
Verstreutes von Frau Fendel und Herrn Fritzle
    Offiziell muß Frau Fendel, die sich immer öfter in der Küche
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