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Geteiltes Geheimnis

Geteiltes Geheimnis

Titel: Geteiltes Geheimnis
Autoren: L. Marie Adeline
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zwangsläufig gut war. Sicher, ich war auf sexuellem Gebiet mit weit über dreißig noch ziemlich unterentwickelt gewesen, aber Claire und ihre neuen Freunde, die sie von der Schule mitbrachte, hatten ein beunruhigendes Tempo drauf. Sie jagten mir ein wenig Angst ein, wenn sie mit ihren Zigaretten und Piercings ins Café kamen, mit ihren verführerischen »Selfies« und ihren zwanglosen »Sextings«.
    Ich fragte Claire, wie sie es schaffte, gleichzeitig vegan zu sein und zu rauchen.
    »Aus dem gleichen Grund, aus dem du es schaffst, gleichzeitig neugierig und nett zu sein«, zog sie mich auf.
    Ich tastete auf dem Regalbrett über dem Waschbecken herum, fand die Flasche mit Desinfektionsmittel und spritzte ihr etwas davon auf die Hände.
    »War Will inzwischen mal hier?«
    »Hab ihn nicht gesehen«, antwortete sie, trocknete die Hände an den Beinen ab und checkte sofort ihr Handy. Will hatte ihr erlaubt, es in der Kellnerinnenschürze aufzubewahren. Er fand, dass sie ja damit nicht telefonierte, sondern nur simste, weshalb es den Kunden gegenüber nicht unhöflich war. Ich hatte ihm gesagt, dass ich es ihr, wenn sie oben arbeitete, nicht würde durchgehen lassen. »Genauso wenig wie die Piercings«, hatte ich hinzugefügt.
    »Gut, du bist der Boss. Du machst die Regeln«, hatte er gesagt.
    Doch Claire arbeitete mittlerweile hart, also beklagte ich mich nicht. Und in der Küche war sie ein Naturtalent.
    »Ich habe schon den Salat vorbereitet«, sagte sie. »Der Grünkohl ist auch fertig, jetzt mach ich mich über die Karotten her.«
    »Danke. Ich kann heute Abend wahrscheinlich auch allein bedienen«, sagte ich.
    »Oh gut. Ich möchte so gern das Baby sehen.«
    Beinahe wäre ich mit allem herausgeplatzt, das im Krankenhaus zwischen ihrem Onkel und ihrer Beinahe-Tante geschehen war. Aber es ging mich nichts an. Will würde es ihr erklären müssen.
    Während ich Claire half, die Karotten zu schneiden und zu blanchieren, dachte ich an Dauphine und Mark, die v ielleicht jetzt eng umschlungen miteinander im Bett lag en. Ich beneidete ihre scheinbare Sicherheit, Dauphines Entschlossenheit, diesen Mann zu wählen und sich darauf einzulassen. Aber manchmal wissen die Menschen es einfach; es liegt in ihrer Natur. Als ich die Option gehabt hatte, mich außerhalb von S.E.C.R.E.T. auf Jesse einzulassen, war ich erst bei Schritt drei gewesen. Ich hatte zwar eine Verbundenheit zu ihm gefühlt, aber noch keine zu mir selbst hergestellt.
    Und wie war es jetzt? Wie gut kannte ich mich mittlerweile selbst, meinen Körper, meinen Geist, mein Herz? Wo berührten sich diese drei und wo blieben sie voneinander getrennt? S.E.C.R.E.T. befasste sich vornehmlich mit körperlichen Freuden, die ich in meinem Leben vorher immer ignoriert hatte. Ich hatte so sehr in meinem Kopf gelebt, dass ich mein Herz hatte verkümmern lassen. Mark und ich hatten eindeutig eine körperliche Verbindung aufgebaut. Bei Jesse und mir war es genauso. Außerdem schlich er sich leise in mein Herz. Doch Will – Will hatte vor Langem schon alles für sich eingenommen. Ich liebte seinen Körper, seinen Geist und sein Herz. Und das war heute umso mehr der Fall. Seine Abwesenheit beschäftigte mich nicht nur, sondern fügte mir physischen Schmerz zu, denn ich stellte mir vor, dass er irgendwo traurig und allein war.
    Noch bevor ich mir also seiner Gefühle für mich sicher sein konnte, nahm ich mein Handy mit nach hinten, während Claire vorn im Café aufpasste.
    Jesse hob nach dem ersten Klingeln ab. »Hey, Babe. Bist du immer noch im Krankenhaus?«
    »Nein. Bei der Arbeit. Und du?«
    Er berichtete, dass er sich gleich mit Kunden treffen würde, die eine fünfstöckige Hochzeitstorte haben wollten. »Du musst ganz schön erschöpft sein«, sagte er. »Ich nehme an, dass du dich heute Abend nicht mit mir treffen willst.«
    »Ja … ich muss hierbleiben, Jesse.«
    Die darauffolgende Stille war bedeutungsschwer. Das spürte ich sogar durchs Telefon. Vielleicht war es die Art und Weise, wie ich seinen Namen gesagt hatte. Wie ich die Interpunktion quasi mit ausgesprochen hatte, mit einem Hauch sanfter Endgültigkeit.
    »Okay … Ich habe so das Gefühl, dass es morgen auch nicht gut für dich wäre.«
    Einatmen. »Jesse, ich denke … nein, ich weiß … dass ich einen anderen Mann liebe.«
    Noch mehr Schweigen, diesmal leichter, da ich es mit ein wenig Wahrheit gefüllt hatte.
    »Ich verstehe. Hmm. Wer ist denn der Glückliche?«, fragte er mit leicht gekränktem
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