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Gestohlene Wahrheit

Gestohlene Wahrheit

Titel: Gestohlene Wahrheit
Autoren: Julie Ann Walker
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ihr umdrehte, verriet ihr sein Gesichtsausdruck alles, was sie wissen musste.
    Nate kam nicht zurück.
    Hauptquartier von Black Knights Inc.
    Sechs Wochen später …
    »Machst du Urlaub?«, grummelte Frank, der im Türrahmen stand.
    Becky sah auf und dann schnell wieder auf ihren Koffer hinab, den sie gerade schloss.
    »Ja«, antwortete sie und drehte die Rädchen am Zahlenschloss, bevor sie den Koffer auf den Boden stellte und den Teleskopgriff herauszog.
    »Hattest du vor, mir,
deinem Boss
, das auch irgendwann mal mitzuteilen?«
    »Sobald ich die Treppe runtergegangen wäre, Boss«, sagte sie, drängte sich an Frank vorbei und ging auf die besagte Treppe zu. Sie konnte hören, wie seine schweren Stiefel ihr die Metallstufen hinunter folgten. Jeder widerhallende Schritt passte zu ihrem schweren Herzschlag.
    So hatte sie das nicht tun wollen. Sie hatte auf ein paar ruhige Minuten gehofft, in denen sie eine kleine Abschiedsrede halten konnte, etwas Unbekümmertes und Gebildetes sagen, aber er hatte sie überrascht, bevor sie etwas vorbereiten konnte.
    War das nicht mal wieder typisch?
    Er schien ihr immer einen Schritt voraus zu sein. Als hätte er einen sechsten Sinn, wenn es um Störungen innerhalb seiner fein justierten kleinen Welt ging.
    Und aus genau dieser Welt musste sie schnellstmöglich verschwinden, um nicht völlig verrückt zu werden.
    »Wie lange?«, fragte er und war ihr noch immer auf den Fersen, während sie den langen Korridor entlang zur Vordertür ging.
    »Einen Monat«, erwiderte sie und kämpfte gegen den plötzlichen Drang an, in Tränen auszubrechen. Seit Pattis Tod hatte sie sehr oft weinen müssen. Jedes Mal, wenn sie an dem kleinen Ziegelsteinhaus am nördlichen Ende des Geländes der Black Knights vorbeiging, in dem Dan und Patti gewohnt hatten. Jedes Mal, wenn sie diesen bemitleidenswerten Schatten von einem Mann sah, zu dem Dan geworden war. Jedes Mal, wenn sie bemerkte, wie Ghost auf seine Hände hinabstarrte, als wären sie die obszönsten Instrumente, die er je gesehen hatte. Jedes Mal, wenn ihr großer Bruder ihr einen besorgten Blick zuwarf und sie fragte, ob alles in Ordnung wäre. Sie antwortete darauf immer mit Ja, aber alle wussten, dass es eigentlich Nein heißen sollte. Und definitiv jedes Mal, wenn Frank wieder einen seiner geheimnisvollen Ausflüge in den Lincoln Park machte.
    Ja, da hatte sich in den letzten sechs Wochen einiges angehäuft.
    Und man musste kein Genie sein, um zu wissen, dass er dorthin fuhr, weil er Trost suchte.
    Verdammt, sie alle brauchten Trost nach dem, was passiert war. Daher konnte sie es ihm nicht einmal wirklich verdenken, dass er Zuflucht in den Armen einer Frau suchte, aber andererseits tat sie es doch. Denn sie zerriss innerlich, wenn sie nur daran dachte.
    Sie wurde tatsächlich langsam verrückt.
    »Einen
Monat
«, wiederholte er ungläubig. »Du kannst uns doch nicht einen ganzen
Monat
allein lassen. Wir müssen zwei Motorräder ausliefern. Das erste muss in drei Wochen fertig sein.«
    »Ozzie kann sich die Designs ausdenken. Er hat ein gutes Auge, und ich habe ihm das CAD-Programm gezeigt. Um die Herstellung kann sich Dan kümmern. Er macht doch im Moment sowieso nichts anderes, als zu arbeiten und sich um seinen Verstand zu saufen. Nur so kann er sich davon ablenken …« Sie schluckte schwer. »Du weißt schon.«
    Als sie die Vordertür öffnen wollte, legte er ihr eine Hand auf die Schulter und sie blieb stehen. Sie holte tief Luft, bevor sie sich umdrehte und ihm ins Gesicht sah.
    »Er lenkt sich nicht davon ab«, meinte er, und auf seinem Gesicht zeichneten sich Hilflosigkeit und Empörung ab, was die Narbe in seinem Mundwinkel noch stärker zur Geltung kommen ließ. »Er geht der ganzen Situation völlig aus dem Weg.«
    »Wir trauern alle auf unsere eigene Weise, Boss«, entgegnete sie mit sanfter Stimme und runzelte die Stirn, als er zusammenzuckte. »Was ist?«
    »Wirst du mich nie wieder mit meinem Namen anreden?«
    Seit dem Tag, an dem er ihr zu verstehen gegeben hatte, dass er ihr nie gestatten würde, ein vollwertiges Teammitglied zu werden, was ihr größter Traum war, und dass er sogar absichtlich ihre Bemühungen sabotieren würde, hatte sie aufgehört, ihn als Privatperson anzusehen, und ihn stattdessen einfach als ihren Vorgesetzten betrachtet.
    Zumindest hatte sie es versucht.
    An manchen Tagen funktionierte es. An anderen nicht. Die Tage, an denen er in den Lincoln Park fuhr, fielen eindeutig in die zweite
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