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Gestohlene Wahrheit

Gestohlene Wahrheit

Titel: Gestohlene Wahrheit
Autoren: Julie Ann Walker
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hatte.
    Tja, es war ihm nur leider so gut wie unmöglich, seinen Schwanz unter Kontrolle zu behalten, sobald sich Ali mit ihm im selben Raum befand, aber er hatte sie nie angerührt … und er war nicht gestorben. Grigg war es, der jetzt tot war …
    Großer Gott.
    »Sie wollen dich, Ali«, versicherte er ihr. »Sie brauchen dich.«
    »Nein.« Sie schüttelte den Kopf und weigerte sich noch immer, ihn anzusehen, als würde der Damm, der all ihren Zorn und ihr Leid zurückhielt, endgültig einstürzen, sobald sie den Blickkontakt herstellte. »Sie waren schon immer vor allem füreinander da und haben in ihrer eigenen kleinen Welt gelebt, die sich nur um sie drehte. Das heißt aber nicht, dass sie mich oder Grigg nie geliebt hätten«, fügte sie hastig hinzu und wischte sich mit den Handrücken die Tränen weg, denen sie noch immer nicht freien Lauf lassen wollte. »Sie sind
tolle
Eltern, es ist nur so … Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll. Sie haben nur Augen füreinander. Aus diesem Grund stehen Grigg und ich uns auch so nahe …« Ihr linkes Augenlid zuckte ein wenig. »Standen uns so nahe … Himmel noch mal!« Ihre Stimme versagte, und das Mitgefühl überwältigte Nate beinahe und bewirkte, dass sich ihm die Kehle zuschnürte und sich jeder Atemzug anfühlte, als müsste er sich den Weg durch ein engmaschiges Netz bahnen.
    Das war zu viel. Er konnte es nicht ertragen, sie anzusehen, während sie dermaßen mit sich rang. Ihre Qualen verstärkten den Druck seines eigenen Zorns und seiner Trauer so sehr, dass er nichts weiter tun konnte, als die Augen fest zuzupressen und sie gegen die Handrücken seiner angespannten Hände zu drücken. Seine Finger, die das Lenkrad fest packten, waren so taub und kalt wie der Eisblock, der sein Herz umklammerte und der sich vor beinahe einer Woche gebildet hatte, als er gezwungen worden war, das Undenkbare zu tun.
    Ein Sturm blutiger Bilder sauste an seinem inneren Auge vorbei, doch es gelang ihm schnell, ihn wieder zu unterdrücken. Er konnte jetzt nicht daran denken. Er durfte es einfach nicht.
    »Nate?« Er zuckte zusammen, als wäre auf ihn geschossen worden, als ihn ihre kalten Finger auf seinem Arm aus seinen brutalen Gedanken rissen. »Bring mich hier weg, ja? Dad … Er hat mich rausgeschickt. Ich glaube, er wollte nicht, dass ich Moms Zusammenbruch mit ansehen muss, und ich bilde mir ein, sie noch immer zu hören …« Die Worte schienen ihr in der Kehle festzustecken.
    In diesem Augenblick wurde Nate klar, dass die schrecklichen Geräusche, die aus Carla Morgans Kehle gekommen waren, nicht nur ihn auf ewig heimsuchen würden. Jeder, der sie hatte hören können, würde es niemals vergessen.
    Und,
verdammt
, er mochte Paul Morgan und schätzte ihn als guten und ehrlichen Mann, aber der Bastard sollte verflucht sein, weil er nicht erkennen wollte, dass seine einzige Tochter ebenfalls Trost brauchte. Nur weil Ali sich nichts anmerken ließ und sich weigerte, wie ihre Mutter zusammenzubrechen, bedeutete das noch lange nicht, dass sie im Inneren nicht ebenfalls völlig am Boden zerstört war. Er hasste den Mann auch dafür, dass er Nate in diese unerträgliche Lage gebracht hatte, in der er der Einzige war, der Ali trösten konnte, obwohl er doch der letzte Mensch auf der Welt sein sollte, dem diese Aufgabe zuteilwurde.
    Er zögerte nur eine Sekunde, dann drehte er den Schlüssel im Schloss herum und fuhr los. Der Jeep brummte und rumpelte über die Straße, wobei er bei jeder kleinsten Erschütterung einen sengenden Schmerz in seinem verletzten Bein spürte. Militärfahrzeuge wurden nun mal nicht für eine bequeme Fahrt gebaut. Nein, sie sollten auf jedem nur denkbaren Untergrund fahren können, das war das Wichtigste. Dummerweise machten sie das durch mangelnden Komfort wieder wett, aber das stellte das geringste seiner Probleme dar. Mit seinem eigenen Schmerz konnte er fertigwerden, der ließ sich wie eine nervige Stechmücke beiseiteschieben. Schließlich war er längst daran gewöhnt. Dafür hatte er trainiert, und damit hatte er in den letzten fast fünfzehn Jahren oft genug leben müssen.
    Doch Alis Schmerz war eine ganz und gar andere Sache.
    Als er ihr einen kurzen Blick zuwarf, fühlte er sich, als hätte man ihm eine heiße eiserne Faust in den Magen gebohrt.
    Sie weinte.
    Endlich.
    Nun, da sie vor ihren Eltern nicht mehr stark sein musste, ließ sie ihre Tränen endlich zu, und sie flossen in silbernen Strömen über ihre weichen Wangen. Ihre
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