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Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig

Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig

Titel: Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig
Autoren: Peter Wilhelm
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große, grauhaarige Mann ist bunter angezogen, als man es sich vorstellen kann; besonders seine zweifarbig gestreiften Schuhe fesseln meinen Blick. An den Ohren trägt er wenigstens zehn Zentimeter lange Ohrringe aus Glitzerklunkern. In meinem dunklen Anzug komme ich mir fast deplaziert vor.
    »Ach, endlich kommt da jemand«, begrüßt er mich, und dabei hält er mir seine Hand hin, die ich ergreife und schüttele. »Mein Name ist Rose, aber Sie können mich Röschen nennen, mich nennen alle so.«
    Daniel Edmund Rose ist 62 Jahre alt und hat den Tod seines Lebenspartners zu beklagen. Der ist gestern im Krankenhaus mit 59 Jahren an den Folgen eines Diabetes verstorben.
    »Sie werden mich für einen Paradiesvogel halten, und ich bin genau das, ein Paradiesvogel, und mein Kalli war das auch. Ich will die schönste, bunteste und schrillste Beerdigung der ganzen, weiten Welt.«
    Na, machen wir doch!
    Röschen bezeichnet sich selbst und seinen verstorbenen Partner als schwul, und als ich das Wort »homosexuell« verwende, sagt er: »Sie können ruhig schwul sagen! Wir haben das immer ausgelebt, und ich will nicht, dass man irgendwas verstecken muss.«
    Die Überführung des Verstorbenen werden wir heute noch vornehmen. Morgen früh bringt Röschen die Kleidung, die der Verstorbene tragen soll, und wird mir dann auch sagen, wie der Blumenschmuck aussehen soll. Die Trauerfeier ist bei uns im Haus, und Röschen erwartet rund vierzig bis sechzig Trauergäste.
    »Sie brauchen keine Angst zu haben, wir machen hier nicht ›Ein Käfig voller Narren‹, aber ich will, dass es absolut perfekt wird«, sagt Röschen, entscheidet sich für einen grünen Sarg und wählt ein Doppelgrab, damit sie später mal zusammenliegen können.
    Der grüne Sarg ist fast mein Lieblingssarg. Von der Form her ist er nur ein kleines bisschen größer als ein ganz schlichter Sarg, hat aber sechs schwere chromfarbene Griffe. Er ist in einer Technik lackiert, die man auch von Autos kennt: bicolor. Das Grün ist dunkel, und je nach Blickwinkel kippt die Farbe in ein ganz dunkles Blau um, wie bei einem Wackelbild. Das sieht sehr edel aus und ist mal ganz was anderes als das ewige holzfarbene Allerlei.
    Ich muss ehrlich sagen, dass mich Röschen beeindruckt hat. Ich habe schon viele Homosexuelle gesehen, die sich sehr tuntig gegeben haben, aber der war so was von authentisch und dabei würdevoll, dass man das nicht mal komisch finden konnte. Morgen früh erfahre ich mehr darüber, wie sich Röschen eine »absolut schrille Beerdigung« vorstellt.

    Am Nachmittag dann trifft Kalli bei uns ein, und eigentlich will ich mich entspannt zurücklehnen und abwarten, wie sich dieser Fall morgen weiterentwickelt. Doch die Sache hat eine unangenehme Wendung bekommen: Vor wenigen Minuten hat sich der Vater des Verstorbenen gemeldet. Er habe erfahren, dass sein Sohn gestorben sei, und trotz seiner 83 Jahre wolle er die Sache nun in die Hand nehmen.
    »Da war aber schon jemand da und hat so weit schon alles geregelt«, sage ich vorsichtig.
    »Jaja, da kann ja jeder kommen! Es ist ja wohl selbstverständlich, dass ich mich selbst darum kümmere. Sie müssen wissen, mein Sohn ist krank gewesen.«
    »Das weiß ich. Man sagte mir, er habe Diabetes gehabt …«
    »Ach was, daran ist er bloß gestorben. Der hatte diese andere Krankheit … Sie wissen schon.«
    Ich stelle mich dumm und sage: »Nein, ich weiß ich nicht.«
    »Der hatte diese, diese … na eben diese Männerkrankheit, meine Güte.«
    Soll ich dem alten Mann, der offensichtlich mit der Homosexualität seines Sohnes nicht zurechtkommt und auch nichts darüber weiß, jetzt sagen, dass er ein bornierter Blödmann ist? Das kann ich nicht. Wenn ich richtig verstanden habe, dann waren Röschen und Kalli »verpartnert«, sind also vor einem Standesbeamten eine der Ehe ähnliche und gesetzlich vollständig gültige Bindung eingegangen. Damit verbunden ist, dass Röschen nunmehr – so weit mein Kenntnisstand – auch der Bestattungspflichtige und -berechtigte ist.
    Genau das muss ich dem alten Herrn nun klarmachen: »Bitte verstehen Sie, dass der Lebenspartner Ihres Sohnes bei mir war und uns bereits einen Auftrag erteilt hat. Wenn Sie möchten, kann ich mit Herrn Rose sprechen, ob Sie nicht morgen bei der Besprechung dabei sein können und wir …«
    »Seien Sie ruhig! Sie glauben doch wohl nicht allen Ernstes, dass ich mit diesem Sexverbrecher an einem Tisch sitzen werde! Dieser Mann hat meinen Sohn doch erst
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