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Geständnis

Titel: Geständnis
Autoren: bernd
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die
Telefonprotokolle bestätigten es -, dass Nicole und sie mindestens
sechsmal am Tag miteinander telefoniert und durchschnittlich
viermal am Tag gesimst hätten. Sie standen in permanentem Kontakt
miteinander, und dass Nicole einfach weggelaufen sein könnte, ohne
ihrer Mutter etwas zu sagen, war schlicht und ergreifend
undenkbar.
    Es gab keinerlei Hinweise auf seelische Probleme, etwa
Essstörungen oder sprunghaftes Verhalten. Nicole war weder in
psychiatrischer Behandlung gewesen, noch hatte sie Drogen genommen.
Sie war einfach verschwunden. Ohne Zeugen. Ohne Erklärung. Einfach
so. In Kirchen und Schulen wurden Mahnwachen abgehalten. Eine
Hotline wurde freigeschaltet, zahllose Anrufe gingen ein, aber kein
einziger davon erwies sich als sachdienlich. Eine Website wurde
eingerichtet, um die Suche zu steuern und der Gerüchtebildung
entgegenzuwirken. Echte und falsche Experten kamen, um ihren Rat
anzubieten. Ein Geistheiler tauchte auf, verließ die Stadt wieder,
als niemand ihm Geld anbot. Die Suche ging weiter, die
Gerüchteküche brodelte, in der Stadt gab es kaum noch ein anderes
Thema. Unübersehbar stand rund um die Uhr ein Streifenwagen vor
Nicoles Elternhaus, damit sich die Familie besser fühlte. Slones
lokaler Fernsehsender engagierte neue Reporter, um dem Fall auf den
Grund zu gehen. Als die Suche auf das Umland ausgedehnt wurde,
durchwühlten Heerscharen von Freiwilligen den Erdboden. Türen und
Fenster wurden verriegelt. Väter deponierten nachts eine Waffe
neben dem Bett. Kleinkinder wurden von Eltern und Babysittern nicht
mehr aus den Augen gelassen. Priester thematisierten in ihren
Predigten verstärkt den Kampf gegen das Böse. In der ersten Woche
gab die Polizei täglich eine Pressekonferenz, allerdings nur, bis
man merkte, dass es nie etwas Neues mitzuteilen gab.
    Man wartete und wartete, in der Hoffnung auf eine Spur, einen
unerwarteten Anruf oder den entscheidenden Zeugen, der sich die
Belohnung sichern wollte. Man betete für die Wende.
    Sechzehn Tage nach Nicoles Verschwinden war es endlich so
weit. Morgens um 4.33 Uhr läutete das Telefon bei Detective Drew
Kerber zweimal, ehe er den Hörer abnahm. Trotz seiner Erschöpfung
hatte er nicht gut geschlafen. Instinktiv drückte er die
Aufnahmetaste und zeichnete das folgende Telefonat auf, das später
tausendmal abgespielt werden sollte.
     
    KERBER: „Hallo.“
    STIMME: „Ist da Detective Kerber?“
    KERBER: „ja. Mit wem spreche ich?“
    STIMME: „Unwichtig. Wichtig ist, dass ich weiß, wer sie
umgebracht hat.“
    KERBER: „Ich brauche Ihren Namen.“
    STIMME: „Vergessen Sie's, Kerber. Wollen Sie über das Mädchen
reden?“
    KERBER: „Bitte.“
    STIMME: „Sie war mit Donte Drumm zusammen. Heimlich. Sie hat
versucht, Schluss zu machen, aber er wollte sie nicht in Ruhe
lassen.“
    KERBER: „Wer ist Donte Drumm?“
    STIMME: „Ach, kommen Sie schon, Detective. Jeder kennt Drumm.
Er ist der Mörder. Er hat sie vor dem Einkaufszentrum überfallen
und sie von der Brücke an der Route 244 geworfen. Sie liegt am
Grund des Red River.“
     
    Dann war die Leitung tot. Der Anruf wurde zurückverfolgt bis
zu einem 24-Stunden-Supermarkt in Slone, wo die Spur
endete.
    Detective Kerber hatte von dem vagen Gerücht gehört,
demzufolge Nicole sich mit einem schwarzen Footballspieler
getroffen habe, wobei niemand das bestätigen konnte. Ihr Freund
hatte es vehement zurückgewiesen. Er behauptete, dass er sich ein
Jahr lang regelmäßig, wenn auch nicht oft, mit Nicole getroffen
habe, und es sei sicher, dass sie noch nicht sexuell aktiv gewesen
sei. Doch delikate Gerüchte wie dieses hielten sich hartnäckig.
Dass Nicole mit einem Schwarzen zusammen gewesen sein sollte, war
so widerwärtig und barg so viel Sprengstoff, dass Kerber nicht
einmal ihre Eltern darauf angesprochen hatte.
    Kerber starrte auf das Telefon und entnahm dann die Kassette.
Er fuhr ins Präsidium, setzte Kaffee auf und hörte sich das Band
noch einmal an. Er stand unter Strom und konnte es kaum erwarten,
die Neuigkeit mit seinem Ermittlungsteam zu teilen. Alles passte
zusammen - eine Liebe zwischen Teenagern, zwischen Schwarz und
Weiß, in East Texas immer noch ein gesellschaftliches Tabu, Nicoles
Versuch, Schluss zu machen, die brutale Überreaktion des
abgewiesenen Liebhabers. Alles war durch und durch
logisch.
    Sie hatten ihren Mann.
    Zwei Tage später wurde Donte Drumm festgenommen und wegen
Entführung, Vergewaltigung und Mordes an Nicole Yarber angeklagt.
Er gestand das
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