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Geständnis unterm Mistelzweig

Geständnis unterm Mistelzweig

Titel: Geständnis unterm Mistelzweig
Autoren: Emilie Richards
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Schultern und drehte sie sich herum. “Du weißt, dass jedes Mädchen eine Wunschliste hat.”
    Chloe wusste das. Die Kinder waren ihre ganze Leidenschaft, sie gaben ihrem Leben Sinn. Aber sie musste sich an ihre Grundsätze halten. Dazu gehörte es, die Mädchen nicht zu verwöhnen.
    “Mach dir deswegen keine Sorgen, Egan. Wir haben hier ein Punktesystem. Wer genügend Pluspunkte gesammelt hat, bekommt einen kleinen Betrag, um sich dafür etwas zu kaufen. Und jedes Kind bekommt vom Heim Weihnachtsgeschenke.”
    “Was denn? Socken? Unterwäsche? Sweatshirts?”
    “Egan, wir mögen diese Kinder, alle meine Mitarbeiter tun das.”
    “Aha. Also neue Tennisschuhe?”
    “Unsinn, die sind viel zu teuer.”
    “Hör mal, Chloe, die Mädchen wünschen sich Kassettenrekorder, Elektrogitarren und Skibretter. Mona möchte Reitunterricht haben, Bunny wünscht sich Löcher in den Ohrläppchen und Ohrringe.”
    “Bunny? Sie hat schon entschieden, was sie sich zu Weihnachten wünscht?”
    “Sie ist sich hundertprozentig sicher.”
    “Das ist ja wunderbar.” Chloe war angenehm überrascht. “Roxanne möchte einen blauen Angorapullover haben, Schlittschuhe und eine Barbiepuppe. Sie sagt, ihre Schwester habe auch eine.”
    “Roxanne hat über ihre Schwester gesprochen?”
    “Jedenfalls hat sie das gesagt.”
    “Ihre Schwester ist gestorben. Roxanne hat immer noch Albträume.”
    Egan fragte nicht weiter nach. Er gehörte nicht zum Personal, und er wusste, dass hier Vertraulichkeit gewahrt werden musste. Außerdem wollte er nicht zu viel wissen. Er hatte sich in alle die kleinen Bewohnerinnen des Heims verliebt, und er war gefährlich nah daran, sich auch in die Leiterin des Heims zu verlieben.
    “Chloe, ich kann ihnen geben, was sie sich wünschen. Es ist gar nicht so viel. Meine Brüder und ich haben für solche Zwecke immer Geld. Es würde uns allen wirklich sehr viel bedeuten, wenn du uns den Weihnachtsmann spielen ließest. Joe könnte …”
    “Du hast mir offenbar nicht zugehört.”
    “Doch. Aber ich stimme dir nicht zu.”
    “Du bist ein Gefühlsmensch, Egan, viel zu weich.”
    “Unsinn. Ich bin ein großer starker Mann ohne Herz.”
    “Du bist nur Herz.” Chloe sagte das nicht so, als finde sie es schlimm.
    Egan hielt es trotzdem für besser, das Thema zu wechseln. “Komm Sonntag mit mir zu meinen Eltern zum Essen.”
    Chloe war überrascht. In den vergangenen Monaten hatten sie und Egan es sorgsam vermieden, über eine richtige Verabredung zu reden. Er hatte sie gelegentlich in ein Restaurant mitgenommen, damit sie in Ruhe über die Renovierungsarbeiten sprechen konnten, oder ihr Freikarten für ein Konzert gegeben und war dann mitgegangen, als sie sagte, so kurzfristig könne sie keine Begleitung finden. Aber er hatte sie nie längere Zeit im Voraus eingeladen, und schon gar nicht zu seiner Familie.
    Sie zögerte. “Ich habe noch so viel zu erledigen …”
    “Chloe.” Egan gab der Versuchung nach und berührte ihr Haar. “Bitte. Ich werde nicht beißen.”
    “Aber ich weiß nicht, worüber ich mit deinen Eltern reden könnte.”
    “Ihr habt etwas gemeinsam -- ihr haltet mich für wunderbar.”
    Egan gab Chloe keine Gelegenheit, darauf zu antworten. Er beugte sich vor, drückte ihr einen Kuss auf die Nasenspitze und verschwand.
    Stunden später saß Chloe im dritten Stock des Heims vor dem Frisierspiegel, bürstete ihr langes Haar und dachte über Egan nach.
    Was hatte er nur an sich, dass er sie so sehr beeindruckte? Er war sehr anziehend, aber das waren andere Männer auch, die sie während ihrer siebenundzwanzig Jahre kennen gelernt hatte. Er konnte fröhlich und nett, dickköpfig und einfühlsam sein. Er war intelligent und bescheiden. Aber er war mehr als nur die Summe all dieser Eigenschaften. Er war Egan. Und irgendwann während der vergangenen Monate, auch wenn sie sich dagegen gewehrt hatte …
    Chloe führte den Gedanken nicht zu Ende. Sie begann, ihr Haar zu einem Zopf zu flechten. Sie hatte es seit ihrem achtzehnten Lebensjahr nicht mehr kürzer schneiden lassen, als sie die letzte Pflegefamilie verließ, die der Staat Pennsylvania für sie gefunden hatte.
    Ihr Haar war stets der Stolz ihrer Mutter gewesen. Als Kind hatte sie es lang getragen. Doch als sie sieben Jahre alt war, kamen ihre Eltern bei einem Brand um. Bei ihren ersten Pflegeeltern hatte man ihr das Haar kurz schneiden lassen. Kurzes Haar war praktischer und billiger zu pflegen. In den folgenden Pflegefamilien war es
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