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Gesicht im Schatten: Idylle - Stalking - Mord

Gesicht im Schatten: Idylle - Stalking - Mord

Titel: Gesicht im Schatten: Idylle - Stalking - Mord
Autoren: Simone Fischer
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stehen.
Amelie stand steif wie ein Stock neben mir. Was lag denn da? Es war
mittlerweile so dunkel geworden, dass ich nur Umrisse einer überdimensional
großen blauen Mülltüte erkennen konnte, an der zu zwei Seiten merkwürdige
Armstümpfe herausschauten. Mein Herz raste, mein Mund wurde ganz trocken und
schließlich zog ich, unendlich langsam und zitternd, meine Taschenlampe aus der
Jackentasche. Ich drückte den Schieber auf dem Taschenlampengriff nach vorne
und dann – das Birnchen flammte einmal kurz auf und erstarb dann wieder. Ich
schlug die Taschenlampe panisch mehrmals in meine linke offene Hand und noch
einige Male auf meinen Oberschenkel, in der Hoffnung, dass die Batterien nur
den Kontakt verloren hatten. Aber ohne Erfolg. Es blieb dunkel und die Umrisse
der Umgebung waren nurmehr schattenhaft. Und dann dieser Geruch. Aus dem Umgang
mit verletzten Menschen war ich so einiges an Gerüchen gewöhnt. Dieser hier war
anders. Es roch nach moderndem Holz, nassem Grass und nach etwas süßlich
Organischem. Der Geruch erinnerte mich an etwas. Ein Gedanke huschte kurz, aber
sehr düster durch meinen Kopf. Plötzlich wusste ich was es war.
    Während
des Studiums muss jeder ein Pflichtsemester in der Pathologie belegen. Und
genauso roch es hier. Die Dunkelheit und der Geruch umhüllten mich in ihrer
ganzen Unerträglichkeit.
    Amelie
knurrte, rührte sich aber nicht von der Stelle. Das Herz schlug mir bis zum
Hals. „Komm, Amelie, lass uns schnell weitergehen“.
    Das waren
die einzigen Worte, die ich nur krächzend von mir geben konnte. Ich zog Amelie
mit großer Kraftanstrengung weiter. Plötzlich glaubte ich Schritte hinter mir
zu hören. Amelie blieb schon wieder wie angewurzelt stehen. „Komm schon,
Amelie“, brachte ich nur flüsternd heraus. Bisher hatte mir die Anwesenheit von
Amelie in der Dunkelheit immer so viel Sicherheit gegeben, dass ich dachte, es
könne mich nichts mehr erschüttern. Aber im Augenblick war mein ganzer Mut wie
weggeblasen. Meine Eingeweide hatten sich zusammengezogen. Vor lauter Aufregung
spürte ich plötzlich, dass ich dringend zur Toilette musste. Nein, bitte nicht
jetzt. Ich bleibe keine Sekunde länger hier. Also versuchte ich den Blasendruck
zu ignorieren.
    Den Trampelpfad, der
sich gleich links von uns befand, und der der kürzeste Weg nach Hause war,
hatte ich völlig vergessen. Stattdessen stolperte ich mit Amelie auf einem
anderen Weg im Laufschritt weiter. Die Schritte, die ich gehört hatte, kamen
immer näher. Einige Male drohte ich über hochstehende Steine und
hervorquellende Baumwurzeln zu stürzen. In der Dunkelheit aus dem Wald
herauszufinden, war schwerer als ich je gedacht hätte. Mit Mühe und Not fanden
wir einen Weg aus dem Wald heraus. Am liebsten wäre ich gerannt, denn vor
lauter Angst standen mir die Nackenhaare zu Berge. Wer verfolgte mich denn
hier? Fast hätte ich laut geschrien, doch dann hörte ich, wie die Schritte
hinter uns, dem Hauptweg folgend, vorbei gingen. Als wir wieder am Grubenweg
angelangt waren, blieb ich stehen und holte erst einmal tief Luft. Nach einigen
tiefen Atemzügen versuchte ich mich zu entspannen. Das Licht  aus den Häusern
wirkte ein wenig beruhigend. Noch immer konnte ich mir keinen Reim darauf
machen, was Amelie und ich gesehen hatten. Auch war mir völlig das Zeitgefühl
verloren gegangen. Waren es erst ein paar Minuten her oder war vielleicht schon
viel mehr Zeit vergangen? War es ein menschlicher Körper, der da in einen
Müllbeutel eingeschnürt im Gebüsch gelegen hatte? Und dazu dieser süßliche
Gestank. Ich wagte kaum, mir vorzustellen, dass es Leichengeruch war. Und dann
auch noch diese Schritte hinter mir. Meine Gedanken rasten – waren dies erste
Anzeichen von Paranoia oder was war hier los?
     

  3
     
    Zuhause angekommen, schaffte ich
es gerade noch im letzten Moment auf die Toilette. Ich trug immer noch meine
verschmutzten Schuhe und meinen blauen Friesennerz. Ich kam von der Toilette,
zog Jacke und Schuhe aus, um dann Amelie erst einmal trocken und sauber zu
rubbeln. Sie war schon durch die ganze Wohnung gelaufen und hatte eine
regelrechte Spur aus grau-braunen Tropfen auf dem Boden hinterlassen.
    Ich
schaltete alle Lampen im Wohnzimmer und in der Küche an, aber das beklemmende
Gefühl wollte einfach nicht weichen. Mir saß der Schreck nach wie vor in den
Knochen. Gerne hätte ich jetzt Stefan angerufen, aber das wäre mehr als unfair
gewesen. Schließlich war ich es, die ihn bei unserer Trennung um
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