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Gesetzlos - Roman

Gesetzlos - Roman

Titel: Gesetzlos - Roman
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
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Ausblick auf den weiten Himmel und nicht auf die hohen grauen Wohnblöcke gewährte). Renata wartete ab, denn sie war sicher, dass Axel geradezu erstickte an den Geheimnissen, die er ihr gleich offenbaren würde.
    Das hatte sie auf den ersten Blick erraten.
    Und tatsächlich erzählte er ihr ausnahmslos alles, seine letzte und seine allerletzte Mission, seine spontane Liebe zu Clara (eine Liebe, deren unendliche Dimensionen Renata spüren konnte), seinen Entschluss, sie zu retten, die dramatische Episode auf dem Planet Nomen, die Launen der Zeit, der Verrat von Axel 2 – sein Tod –, ja, sein Tod – noch »heute« am 24. Mai in einer anderen Zeit, der des Planeten Erde, auf dem der 2. Juni war!
    Das Phänomen war noch verwirrender, als Axel gedacht hätte: So tauchten in ihm Erinnerungen auf, die zwar verschwommen aber durchaus »real« waren, an Dinge, die sich zugetragen hatten, obwohl er bereits hingerichtet worden war, etwa an die Rede, die der verhasste Mahul nach der zerstörerischen Implosion vor zwölf Regierungsvertretern gehalten hatte, eine so hasserfüllte Rede, dass selbst Rafi unbehaglich zumute war.
    Axel und Renata wussten beide, was sich am 28. Mai um fünfzehn Uhr, dem irdischen 6. Juni, ereignen würde, Renata brach in Tränen aus.
    Schließlich schlief sie spät in der Nacht auf dem Sofa ein. Axel blieb wach, ganz erfüllt von dem Gedanken, der in ihm aufgekeimt war, als er von seiner unmittelbaren Zukunft erfahren hatte: Er wünschte sich mit aller Macht und von ganzem Herzen, wieder fortzufliegen, die unermesslichen Weiten des Alls zu durchqueren und Clara ein letztes Mal wiederzusehen.
    Aber das war undenkbar. Renata die letzten gemeinsamen Stunden rauben, die ihnen verblieben? Nein, das wäre zu grausam gewesen!
    Doch am nächsten Tag, dem 25. Mai, nachdem sie gegen Mittag das Phantom einer Mahlzeit eingenommen hatten, befreite sich Renata von der Last ihrer Kummers und schlug Axel in einer plötzlichen Eingebung vor, sie riet, ja sie befahl es ihm fast …
    Es war das Beste, sagte sie, das Einzige, was er noch tun konnte.
    Axel hatte gewusst, dass Renata vollkommen war, und dies war der schlagende Beweis.
    Sie fügte hinzu, dass sich der Tod, der von den ständig zurückzulegenden Lichtjahren müde und im Grunde auch verwirrt sein musste, weil er es hier mit einem Doppelwesen zu tun hatte, bei dem er bereits zugeschlagen hatte, dass sich der Tod ja vielleicht entmutigen ließ – und so tauschten sie ein winziges Lächeln aus, denn weder der eine noch die andere glaubten an ein solches Ammenmärchen.
    Der Abschied war herzzerreißender, als man ihn hätte beschreiben können.
    Kurz vor fünfzehn Uhr ließ
Stkouspr
das Quadratisch-Grau-und-Trüb der Hauptstadt hinter sich und trat die Flucht von Renata an, dem sterbenden Planeten.
    Den Blick auf den Bildschirm von Opera gerichtet, las Axel im Vorbeieilen der Sterne die Verkündung seines baldigen Todes.
    Mitunter fühlte er sich fast glücklich.
    In Opera 2 konnte er den letzten Satz vom letzten Kapitel seiner Memoiren niederschreiben: »Ich heiße Axel und bin nach meiner Rückkehr zu Clara am 6. Juni ’08 verstorben.«
    Der rettende Planet, die Erde, kam in Sichtweite.
    Ethans Platte Nummer 8 mit den Simultaninformationen teilte Axel mit, dass Clara in ihrem Garten auf einer Liege lag und las, bloß mit einem Badeanzug bekleidet, um ein wenig den Sonnenschein zu genießen. Er erfuhr auch, dass im Haus ein gewisser Luis Archer mit etwas beschäftigt war – ganz gleich was es war, er wollte es nicht wissen, dieser Luis Archer war ihm egal, von nun an gab es im Kosmos nur noch Clara und ihn, Axel.
    Am irdischen 6. Juni ’08 landete er gegen fünfzehn Uhr mit der unsichtbaren Raumkapsel Opera mitten auf der Impasse du Midi, wie schon beim ersten Mal.
    Es stieß die Gittertür der Nummer 1 auf, trat ein und ging auf Clara zu.
    Per Druck mit dem Zeigefinger gab er Axel 3 den Befehl, Opera zu zerstören, was umgehend erfolgte, ohne dass die friedliche Stille auch nur im Leisesten erschüttert wurde.
    Und der Vize-Kommandant
Stkouspr
stand mit seinem grauen Lederheft in der Hand (irgendjemandem auf Erden, einem klugen Graphologen, würde es eines Tages vielleicht gelingen, es zu übersetzen, und dann würde Clara lesen können, wie sehr er sie angebetet hatte), Axel, der beim Anblick der noch immer sichtbaren rosigen Narbe auf Claras Knie ergriffen war, und auch von dem granatroten Kleid, das sie sorgfältig zusammengefaltet hatte, bevor sie
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