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Geschichten von der Bibel

Geschichten von der Bibel

Titel: Geschichten von der Bibel
Autoren: Michael Köhlmeier
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argumentiert hätte.
    »Wenn das Bild, das du dir von deinem Volk machst«, sagte Moses, »nicht übereinstimmt mit der Realität dieses Volkes, dann mußt du an deinem Bild etwas ändern.«
    Und Gott sagte wieder: »Warum muß ich das tun? Was ist mehr wert, das Bild, das Gott in sich trägt, oder die Summe aller Untaten und Unfähigkeiten, aus denen der Mensch besteht?«
    »Du fragst mich«, sagte Moses. »Also willst du von mir eine Antwort.«
    »Ja, ich will eine Antwort von dir.«
    »Ich bin ein Mensch«, sagte Moses. »Und für einen Menschen kann es auf diese Frage doch nur eine Antwort geben. Nur wenn du einen anderen Gott fragst, könntest du eine andere Antwort erwarten.«
    »Es gibt keinen anderen Gott neben mir«, sagte Gott.
    »Eben«, sagte Moses.
    Die Wahrheit ist: Moses erzog Gott. Ja, auch Gott erzog Moses. Aber Moses hat auch Gott erzogen.
     
    Die Jahre vergingen. Die Wanderschaft durch die Wüste schien kein Ende zu nehmen. Viele Israeliten waren gestorben.
    »Ihnen war doch versprochen worden, daß sie in das Land geführt werden, in dem Milch und Honig fließen«, sagten die Angehörigen und Freunde der Toten. »Hat Gott sie nicht so geliebt wie uns?«
    Moses gab längst keine Antworten mehr. Aaron gab Antworten, aber es fiel ihm immer schwerer. Und er war manchmal verzweifelt, weil er sich sagte: Ich selbst glaube nicht mehr an meine Antworten, ich bin ein Betrüger! Und daß er ein Betrüger für die Sache Gottes war, das machte seine Verzweiflung nicht kleiner.
    Eines Tages kamen sie in einen Landstrich, in dem flossen nicht Milch und Honig, aber es gab doch Felder, die nicht nur aus Staub und Stein waren, und es gab Zweige und Blätter, die nicht nur verdorrt waren. Es gab Weiden, die waren nicht üppig wie die Weiden in Ägypten gewesen waren, aber sie konnten eine Herde ernähren. Das Wasser sprudelte nicht in breiten Bächen von grünen Bergen, aber es gab Brunnen, die nicht versiegten.
    Es war das Land der Amalekiter.
    Die Israeliten wollten durch das Land ziehen, wollten sich dabei Zeit lassen, wer weiß, wie lange, Wochen, Monate, Jahre vielleicht, wollten sich in dieser Zeit vom Land ernähren.
    Man führte ausführliche Verhandlungen. Die Antwort war negativ.
    Die Amalekiter sagten: »Ihr seid ein Lumpenvolk. Woher kommt ihr eigentlich? Aus Ägypten? Wer verläßt freiwillig so ein blühendes Land? Oder seid ihr gar nicht freiwillig gegangen? Wir wollen gar nicht wissen, was der Grund ist, daß ihr Ägypten verlassen habt. Das geht uns nichts an. Dafür soll euch unser Land nichts angehen! Durch unser Land lassen wir euch nicht ziehen. Das Land ernährt uns, gerade uns ernährt es. Wenn geteilt wird, kriegt jeder zuwenig. Ihr müßt einen Umweg um unser Land machen!«
    Aber Israel wollte nicht wieder in die Wüste zurück.
    Joshua, der Sohn des Nun aus dem Stamme Ephraims, der wiederum ein Sohn des Josef gewesen war – Joshua war inzwischen der politische Führer Israels, Moses selbst hatte ihn ausgewählt, Joshua verhandelte mit den Amalekitern.
    Er sagte: »Wir müssen durchziehen! Es muß möglich sein für wenige Tage, für wenige Wochen vielleicht, daß sich zwei Völker auf diesem Land einig sind. Das muß möglich sein, sonst sterben wir.«
    »Das ist nicht unser Problem«, antworteten die Amalekiter. »Viele Menschen auf dieser Welt sterben, während wir hier sitzen und miteinander reden. Durch unser Land zieht ihr nicht! Wenn ihr es versucht, dann bedeutet das Krieg.«
    Joshua hielt Rat mit den anderen Führern Israels. Inzwischen war eine neue Generation von Verantwortungsträgern herangewachsen. Immer noch war Aaron der unbestrittene oberste Ratgeber des Volkes. Und Moses war der Mann Gottes. Von Moses wurde gesprochen wie von einem Heiligen, von einem Mann, der mehr im Geiste als körperlich anwesend war. Die politischen Tagesgeschäfte aber wurden von Joshua und Hur geleitet. Hur war ein Mann aus der Mitte des Volkes, der überaus begabt war, in militärischen Dingen ebenso wie in der Kunst der Diplomatie.
    Joshua und Hur entschieden: »Es bleibt uns keine andere Wahl. Wenn wir durch die Wüste ziehen, werden wir verhungern und verdursten. Wir müssen durch das Land der Amalekiter ziehen. Wir müssen uns wenigstens eine Zeitlang von diesem Land ernähren. Sonst verlieren wir alle unsere Kräfte. Wenn die Amalekiter Krieg wollen, sollen sie Krieg bekommen.«
    Diese Entscheidung wurde Aaron vorgelegt, und Aaron legte sie Moses vor, und Moses legte sie Gott vor. Und Gott
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