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Geschichten von der Bibel

Geschichten von der Bibel

Titel: Geschichten von der Bibel
Autoren: Michael Köhlmeier
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werfen, wenn wir doch einen Gott haben wie den unseren!«
    Aber Moses wußte, lange würden die Begeisterung und die Zufriedenheit wieder nicht halten.
    Und Moses hatte wieder recht.
    Es dauerte nicht lange, da baute sich das Dutzend erneut vor dem Zelt des Moses auf.
    »Dein Manna!« sagten die Männer. »Weißt du, es hängt uns zum Hals heraus! Kein erwachsener Mann, keine erwachsene Frau will sich auf die Dauer von einer Speise ernähren, die wie Kindernahrung schmeckt! Erwachsene Menschen brauchen hin und wieder Fleisch. Wir wollen Fleisch! Dein Gott hat uns von den Fleischtöpfen Ägyptens weggezerrt! So schlecht es uns dort auch gegangen ist, wir hatten wenigstens ordentlich zu essen! Gehungert hat jedenfalls keiner. Reichlich war der Tisch gedeckt, abwechslungsreich. Hier gibt es nur Manna und Wasser! Einmal etwas Gebratenes! Einmal nur etwas Gebratenes!«
    Dieselbe Prozedur: Moses sprach mit Gott, Gott versprach ein Wunder. Am nächsten Morgen brachte der Wind eine große Schar von Wachteln. Die Vögel ließen sich im Lager der Israeliten nieder, und so bekamen sie Fleisch in die Töpfe.
    Und das Volk Israel sang: »Unser Gott ist groß! Es ist unser Gott! Eindeutig unser Gott! Und unser Gott ist groß!«
    Moses hielt Zwiesprache mit Gott: »Du hörst sie«, sagte er und versuchte, seiner Stimme einen milden, versöhnlichen Ton zu geben, »sie sind wie die Kinder.«
    »Nein, nicht wie die Kinder sind sie«, sagte Gott. »Kein Kind ist so dumm, so uneinsichtig, so unzufrieden, so anspruchsvoll, so undankbar, so dreist, so frech, so erbärmlich, so käuflich wie diese!«
    Inzwischen hatte sich zwischen Gott und Moses – ich scheue mich, das Wort auszusprechen, weil sich auch Moses davor scheute, aber ich spreche es doch aus, weil auch Moses das Wort für sich aussprach, laut aussprach, oft aussprach –, ja, inzwischen hatte sich zwischen Gott und Moses eine Freundschaft entwickelt. Die beiden verbrachten viele Nächte im Gespräch miteinander.
    Gott sagte: »Es ist ein dummes, es ist ein querulantisches, ein hartnäckiges Volk. Wäre es nicht besser, ich vernichte es? Es ist ja doch nicht mehr das Volk des Abraham, des Isaak, des Jakob, des Josef!«
    »Das kannst du nicht tun«, sagte Moses. »Es ist mein Volk, und es ist dein Volk!«
    »Dich würde ich selbstverständlich am Leben lassen«, sagte Gott. »Ich lasse dich noch lange leben, und du gründest ein neues, ein besseres Volk.«
    »Nicht in jedem Fall wünscht sich der Mensch ein langes Leben«, sagte Moses, und er sagte es mit einem leichten Flattern von Ironie in seiner Stimme, das war ihm in den Gesprächen mit Gott zur Angewohnheit geworden und hatte den Vorteil, daß er jederzeit, wenn Gott, der leider sehr unberechenbar war, an einem Satz oder einem Wort sich stieß, behaupten konnte, er habe es ja gar nicht ernst gemeint. »Manchmal kann ein langes Leben ein langer Fluch sein«, sagte Moses.
    »Ich weiß«, sagte Gott. »Wenn ein Leben leer ist, wie dein Leben leer war, bevor ich dir in dem brennenden Dornbusch erschienen bin. Aber nun bin ich bei dir und werde dich nie wieder verlassen. Wir beide könnten einen neuen Bund schließen, der dritte nach Abraham und Jakob.«
    »Du mußt Geduld haben mit deinem Volk«, sagte Moses.
    »Warum muß ich Geduld haben?« fragte Gott. »Warum muß ich überhaupt etwas? Ihr müßt, ich muß nich t. Alles, was ich tue, ist, als würde es zum ersten Mal getan. Ich kann das Volk Israel vernichten und mir ein neues Volk machen.«
    »Der Mensch ist, wie du ihn erschaffen hast«, holte Moses zu einer Generalverteidigung aus.
    »Ich habe Fehler gemacht«, gab Gott zu. »Ich werde diese Fehler nicht wiederholen.«
    »Man muß ein Haus nicht gleich einreißen, wenn die Haustür klemmt«, sagte Moses.
    Viele Nächte hindurch blieb Moses wach, weil er nicht wagte einzuschlafen, denn er fürchtete, dann werde Gott einen Sturmwind schicken oder ein Erdbeben. Nur weil im Augenblick keiner wach war, der mit Gott über eine solche Maßnahme hätte argumentieren können. Aaron hatte einen gesegneten Schlaf, Mirjam tat nichts lieber als schlafen. Alle Verantwortung lastete auf Moses. Wenn die Menschen gewußt hätten, was für Gespräche er mit Gott führte, sie wären in Angst und Schrecken verfallen, Panik wäre ausgebrochen wie vor einem Weltuntergang, denn es wäre ja tatsächlich der Weltuntergang geschehen, jedenfalls der Untergang ihrer Welt, wenn Moses nicht so tapfer, so erfindungsreich, so klug vor Gott
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