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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens
Autoren: Heinrich August Winkler
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Zimmerwald in der Schweiz linke Sozialisten, die teils aus kriegführenden Ländern, darunter Deutschland, Frankreich und Italien, teils aus neutralen Ländern kamen und sich in einem einig waren: Sie lehnten die Unterstützung des «imperialistischen Krieges» durch sozialistische Parteien als Verrat an den Prinzipien der Internationale ab. Die Initiative zur Einberufung der Konferenz war Mitte Mai 1915, eine Woche bevor Italien an der Seite der Entente in den Krieg eintrat, von den italienischen und schweizerischen Sozialisten ausgegangen. Gemäßigte, von Lenin als «Sozialpazifisten» bekämpfte Gegner der Burgfriedenspolitik wie Haase, Bernstein und Kautsky waren nicht nach Zimmerwald eingeladen worden. Die äußerste Linke um Lenin, die den Burgfrieden durch den Bürgerkrieg ablösen wollte, stellte ihrerseits nur wenige Delegierte, die sogenannte Zimmerwalder Linke. In einer zuletzt einstimmig angenommenen Entschließung sprachen sich die Teilnehmer für eine rasche Beendigung des Krieges, einen Frieden ohne Annexionen und Kriegsentschädigungen und für das Selbstbestimmungsrecht der Völker aus.
    Auf dem nächsten internationalen Sozialistentreffen, das im April 1916 in Kienthal im Berner Oberland stattfand, blieben Lenin und seine Anhänger ebenfalls in der Minderheit. In zwei Punkten aber gingen die Beschlüsse von Kienthal über die von Zimmerwald hinaus. Die Delegierten forderten erstens die «Ablehnung jeglicher Unterstützung der Kriegspolitik durch die Vertreter der sozialistischen Parteien» und die Verweigerung von Kriegskrediten. Zweitens warfensie dem Büro der Internationale vor, daß es völlig versagt und sich zum «Mitschuldigen an der Politik der Prinzipienverleugnung, der sogenannten Vaterlandsverteidigung und des Burgfriedens» gemacht habe. Das war noch nicht die Spaltung der Zweiten Internationale und die Grundlegung einer neuen, revolutionären Dritten Internationale, wie Lenin sie anstrebte, aber doch ein Zeichen dafür, daß sich die Gegensätze innerhalb der internationalen Arbeiterbewegung zugespitzt hatten.
    Was man in Deutschland «Burgfrieden» nannte, war in Frankreich die «Union sacrée». Sie schloß seit Ende August 1914 auch eine formelle Regierungsbeteiligung der Sozialisten ein (mit Marcel Sembat als Minister für öffentliche Arbeiten und Jules Guesde als Minister ohne Geschäftsbereich). In der Sozialistischen Partei Frankreichs, der Section Française de l’Internationale Ouvrière (SFIO), war die Opposition gegen den Krieg schwächer ausgeprägt als in der SPD. An der Konferenz von Zimmerwald nahmen zwei Führer des Metallarbeiterverbandes innerhalb der Confédération Générale des Travailleurs (CGT), Albert Bourderon und Alphonse Merrheim, aber keine sozialististischen Parlamentarier teil. Auf dem Jahreskongreß der SFIO im Dezember 1915 gab es breite Zustimmung für den «patriotischen» Kurs der Parteiführung. Eine kleine Minderheit stellte sich auf den Boden der Zimmerwalder Beschlüsse; eine vermittelnde Stellung bezog eine Gruppe um Jean Longuet, einen Enkel von Karl Marx. Im April 1916 stellte sie bereits ein Drittel der Delegierten zum Nationalrat der SFIO. Ende Dezember 1916 sprach sich nur noch eine knappe Mehrheit des Nationalrats dafür aus, daß der eben erst ernannte Rüstungsminister Albert Thomas, das einzige sozialistische Mitglied des Kabinetts Briand, sein Amt behielt.
    Mitglieder der Labour Party konnten nicht an der Konferenz von Zimmerwald teilnehmen, weil die britische Regierung ihnen die Pässe verweigerte. Eine sozialistische Opposition gegen den Krieg aber gab es auch in Großbritannien; sie war hier von Anfang an sogar sehr viel stärker als in Deutschland. Am 3. August 1914 nannte der «Daily Citizen», das Organ der Labour Party, den Gedanken, daß England an der Seite des reaktionären Rußland kämpfen solle, «einfach erschreckend»; am Vormittag des 4. August verabschiedete die Exekutive der Labour Party eine Erklärung, wonach es die Pflicht der Arbeiterklasse sei, den Krieg so rasch wie möglich durch einen Frieden zu beenden,«der die Wiederherstellung der herzlichen Beziehungen zwischen den Arbeitern Europas ermöglicht».
    Die Abgeordneten der Labour Party stimmten aber kurz darauf im Unterhaus den von der Regierung Asquith geforderten Kriegskrediten mit großer Mehrheit zu, was zum Rücktritt des prominentesten Kriegsgegners, des Fraktionsvorsitzenden Ramsay MacDonald, führte, der zugleich an der Spitze der
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