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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens
Autoren: Heinrich August Winkler
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International Labour Party (ILP), einer der in der Labour Party zusammengeschlossenen Gruppierungen, stand. Die ILP blieb bis zum Ende des Krieges bei ihrer pazifistischen Position, ohne daß dies disziplinarische Maßnahmen der Mehrheit nach sich zog. Mitte Oktober 1914 begründete die Labour Party ihr Ja zu den Kriegskrediten und der Werbung von freiwilligen Rekruten mit der deutschen Kriegsschuld, dem Überfall auf das neutrale Belgien und, ganz allgemein, der Notwendigkeit, einen Triumph des militärischen Despotismus Deutschlands zu verhindern.
    Die Labour Party unterstützte in der Folgezeit die Regierung des liberalen Premierministers Herbert Asquith, die sich Ende Mai 1915 unter dem Eindruck der militärischen Lage auf dem Balkan und an den Dardanellen in ein Allparteienkabinett (mit dem Labourführer Arthur Henderson als Unterrichtsminister) verwandelte, bei allen ihren gesetzgeberischen Vorhaben, beginnend mit der Zustimmung zum Defence of the Realm Act vom 8. August 1914, der Grundlage einer staatssozialistisch angelegten Lenkung der Kriegswirtschaft. Anfang 1916 stimmte Labour auch einem angesichts der bisherigen englischen Geschichte geradezu revolutionär anmutenden Schritt zu: der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht. Im Frühjahr 1916 hatte Großbritannien die schwerste innere Herausforderung während des ganzen Krieges zu bestehen: die blutige Niederwerfung des von Deutschland unterstützten Osteraufstands der nationalistischen Sinn-Féin-Bewegung in Dublin, der am 24. April mit der Proklamation der Irischen Republik begann. Über 500 Menschen, darunter 300 Zivilisten, kamen ums Leben; etwa 2000 wurden verwundet. Zu den hingerichteten Führern der Erhebung gehörte auch der aus Irland stammende ehemalige britische Diplomat und international bekannte Kritiker der Versklavung der einheimischen Bevölkerung im Kongostaat des belgischen Königs Leopold II., Sir Roger Casement, der in einem deutschen U-Boot auf die Insel gebracht worden war.
    Ein Dreivierteljahr später, im Dezember 1916, löste der energischeKriegsminister David Lloyd George seinen liberalen Parteifreund Herbert Asquith als Premierminister ab. Zum eigentlichen Machtzentrum wurde von jetzt ab ein fünfköpfiger Kabinettsausschuß, dem außer dem Premier drei Konservative («Unionisten»), unter ihnen der weit rechts stehende Lord Alfred Milner, und von der Labour Party Arthur Henderson, nunmehr Minister ohne Geschäftsbereich, angehörten. Als Lloyd George sich in der Folgezeit immer mehr an die Tories anlehnte, trat Henderson im August 1917 aus der Regierung aus. Die Labour Party blieb dessen ungeachtet ein Teil der britischen Kriegskoalition und stellte weiterhin Minister in der Allparteienregierung.
    In den kriegführenden Ländern gab es außer der Independent Labour Party Großbritanniens nur zwei sozialistische Parteien, die dem Krieg nach Beginn der Kampfhandlungen die Unterstützung verweigerten: die serbische, deren beide Abgeordnete am 31. Juli 1914 im Parlament, der Skupschtina, als einzige Volksvertreter gegen die Kriegskredite stimmten, und die russische Partei. Beide Fraktionen der Sozialdemokratischen Partei Rußlands, die vergleichsweise gemäßigten Menschewiki und die sehr viel radikaleren Bolschewiki, hatten sich darauf verständigt, am 8. August in der Duma bei der Abstimmung über die Vertrauensfrage der Regierung und die Kriegskredite sich der Stimme zu enthalten, in einer gemeinsamen Erklärung gegen den Krieg zu protestieren und für die internationale Solidarität der Arbeiterklasse zu demonstrieren. Die scharf gehaltene Erklärung wurde von einem Abgeordneten der Menschewiki verlesen. Danach verließen die sozialistischen Abgeordneten den Plenarsaal und nahmen an der Abstimmung nicht mehr teil.
    Die Haltung der Abgeordneten entsprach nicht der patriotischen Stimmung in der russischen Arbeiterschaft und auch nicht der Linie, für die sich führende Exilpolitiker, unter ihnen der Menschewik Georgi Plechanow, einsetzten: die Unterstützung des Krieges an der Seite der Westmächte. Auf der anderen Seite wurde Lenins Parole, es gelte den imperialistischen Krieg in den Bürgerkrieg umzuwandeln, auch von den meisten Bolschewiki verworfen. Die Situation Rußlands war im Herbst 1914 weit davon entfernt, revolutionär zu sein. Es sollten noch über zwei Jahre vergehen, bis sich die Verhältnisse so verschlechterten, daß Lenins radikale Thesen weitere Unterstützung zu finden begannen.[ 4
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