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Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Titel: Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)
Autoren: Rudolf Nährig
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deutlich Zwischentöne, falsche Töne hören und voneinander trennen. Ein sehr nützlicher Gewinn. »Haben Sie noch einen kleinen Tisch für mich, um eine Winzigkeit zu essen?« Auch das ist so gemeint. Sie will sich nicht ihren Bekanntheitsgrad zunutze machen, um einen der schönsten Tische zu bekommen.
    Diese Frau ist ein absoluter Sympathieträger. Das dunkle Ensemble – könnte Prada, aber auch Jil Sander sein – unterstreicht den Charme noch einmal mehr. Ich hatte das Gefühl, sie schämt sich sogar für die ganz zart geschminkten Lippen. Für eine Frau ihrer Profession gehört sich’s aber so.
    Sie entscheidet sich wirklich nur für ein sehr bescheidenes Hauptgericht. Auf meine Empfehlung, doch einen kleinen Salat als Vorspeise zu essen, geht sie nur ein, um mir einen Gefallen zu tun. Mir eine Freude zu machen. Um die Beratung zu honorieren. Auf meine Frage um die Seltenheit ihrer Besuche in diesem Hotel antwortet sie mit leidvollem Blick: »Ich habe einen kleinen Hund und den lasse ich nicht so gerne allein zu Hause.« Sie verzieht die Lippen zu einem Schmollmund. Dabei gibt es sicherlich einige gute Hotels in der Stadt, die Übernachtungen mit Hund zulassen.
    Warum sie denn allein komme und nicht mit Freunden und Bekannten zusammen Abendessen gehe? Eine fast allzu neugierige Frage, die ich mir nur zu stellen erlaube, weil ich Frau Berben schon lange kenne und, wenn man so sagen kann, eben die Chemie zwischen uns stimmt. Ihre Antwort: »Allein kann ich hingehen, wo ich will, essen, was ich möchte, und vor allem reden, wann ich will und mit wem ich will. Heute kann ich mit Ihnen ein wenig plaudern, darüber freue ich mich.«
    Und ich mich erst!
    Das Mahl ist beendet, sie möchte nun gehen. Ich begleite sie zur Tür. Es gibt ein Küsschen nach französischer Art für mich. Auch das freut mich, berührt mich. Sehr! Als Oberkellner sagt man Gästen gerne was Nettes. Es freut jeden Gast. Auch dann, wenn er weiß, dass es nicht ganz stimmen kann. Auch dieser Dame wollte ich etwas Nettes sagen, und diesmal sollte es durch und durch ehrlich sein. »Liebe Frau Berben, nun kenne ich Sie schon so viele Jahre, aber ich muss feststellen, Sie haben sich kaum verändert, keinerlei Altersspuren sind in Ihrem Gesicht zu finden.«
    Sie lächelt, charmant, wie man es besser nicht kann, und sagt: »Das ist sehr freundlich von Ihnen, dass Sie mir das sagen, aber kommen Sie morgen früh um halb sieben in mein Zimmer, dann können Sie eine alte Frau sehn.«
    Dann mal gute Nacht.
Hellmuth Karasek – Wein für Nestroy
    Mit Hellmuth Karasek, dem unter anderem aus dem »Literarischen Quartett« wohlbekannten Literaten, hatte ich ein ganz besonderes Abkommen. Dank meiner Wiener Herkunft und meinem Interesse am Theater habe ich mir ein wenig Wissen über den berühmten Wiener Theaterautor Johann Nepomuk Nestroy aneignen können. Karasek wusste aufgrund seiner Theater- und Literaturkritikerarbeit natürlich sehr viel mehr über Nestroy als ich, zudem hat er ja auch selbst eine gut gehende Schriftstellerei. Nestroys Humor, wiewohl bitter, kann ungemein witzig sein, und so spielten wir uns, während er Hummersuppe und Seezunge aß, die Pointen gegenseitig zu. Das war für mich eine wunderbare Abwechslung. Wer kannte in Hamburg schon Nestroy! (Letzteres sollte sich allerdings nicht zuletzt durch meine eigenen bescheidenen Aktivitäten ein wenig ändern, darauf will ich später noch ausführlich zu sprechen kommen.)
    Unser Spiel ging folgendermaßen. Für jede mir noch unbekannte Nestroy-Pointe, die mir Karasek präsentierte, gab’s ein halbes Glas Wein extra. Gratis! Das gefiel ihm. Sein Hirn rauchte. Er kramte in seinen hintersten Nestroy-Schubladen. Ich umgekehrt ebenso. Der Gewinner war meist Karasek. Er Pointe um Pointe vom Safte des Weinstocks illuminiert, ich dagegen immer staubtrocken. Wir waren aber stets ehrlich zueinander. Spielerehre!
    Einmal klagte ich seiner Frau Armgard Seegers mein Leid und jammerte, dass ich bei dem enormen Nestroy-Wissen ihres Mannes noch zum Antialkoholiker würde. Sie tröstete mich mit den Worten: »Ich wüsste eine ganze Menge, was er nicht weiß, womit Sie ihn erwischen können.« Aber Eingesagtes macht keinen Spaß. Wenn Gewinnen nicht mehr freut und verlieren nicht mehr ärgert, dann ist Hopfen und Malz verloren.
Walter Kempowski – Gibt’s da Honorar?
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