Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Germinal

Germinal

Titel: Germinal
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
man bedürfe keines Arbeiters, sagte er. Dieser arme Teufel, dieser herumirrende Arbeiter interessierte ihn. Als er ihn verließ, sagte er zu den anderen:
    »Schaut, so könnte es auch uns ergehen!... Man muß nicht allzuviel klagen. Nicht alle haben Arbeit bis über den Kopf.«
    Der Trupp trat ein und begab sich geradeswegs zur Baracke, einem weiten Saal mit grobem Kalkbewurfe, ringsum mit Schränken angefüllt, die mit Vorlegeschlössern verschlossen waren. In der Mitte stand ein eiserner Kamin, eine Art Ofen ohne Tür, feuerrot, dermaßen vollgestopft mit glühender Kohle, daß einzelne Stücke platzten und auf den gestampften Boden herausfielen. Der Saal war nur durch diesen Ofen erhellt, dessen blutroter Widerschein an dem schmutzigen Gebälke tanzte bis hinauf zu der mit schwarzem Staube belegten Decke.
    Als die Maheu ankamen, herrschte ein lautes Gelächter in dem heißen Saale. Etwa dreißig Arbeiter standen mit dem Rücken zum Feuer gewandt, mit einer Miene des Behagens sich röstend. Vor dem Abstieg kamen alle hierher und nahmen in ihrer Haut ein Stück Wärme mit, um der Feuchtigkeit des Schachtes Trotz bieten zu können. An diesem Morgen gab es einen Spaß; man scherzte mit der Mouquette, einer Schlepperin von achtzehn Jahren, einer gutmütigen Dirne, deren riesiger Busen und Hinterteil Jacke und Hose zu sprengen drohten. Sie wohnte zu Requillart mit ihrem Vater, dem alten Mouque, der als Stallknecht diente, und ihrem Bruder Mouquet, der bei der Winde beschäftigt war; da die Arbeitsstunden nicht für alle die nämlichen waren, ging sie allein zur Grube. Zur Sommerszeit im Getreide, zur Winterszeit an eine Mauer gelehnt, gab sie sich dem Vergnügen hin in Gesellschaft des für die Woche erkorenen Schatzes. Das ganze Bergwerk kam an die Reihe, sämtliche Kameraden in einer bestimmten Reihenfolge, ohne daß die Sache weitere Folgen hatte. Als man eines Tages sie mit einem Nagelschmied von Marchiennes aufzog, barst sie schier vor Zorn und schrie, daß sie zuviel Selbstachtung habe und sich einen Arm abhacken werde, wenn jemand sie mit einem anderen als mit einem Kohlenarbeiter gesehen habe.
    »Ist's denn nicht mehr der lange Chaval?« fragte ein Arbeiter spöttisch. »Du hast diesen Kleinen genommen? Aber der braucht ja eine Leiter!... Ich sah euch neulich hinter Réquillart. Er war auf einen Eckstein gestiegen...«
    »Was weiter?« erwiderte die Mouquette wohlgelaunt. »Was hat es dich zu kümmern? Man hat dich nicht gerufen, um nachzuhelfen.«
    Diese gutmütige Derbheit erregte neue Heiterkeitsausbrüche der Männer, die ihre halb gebrannten Schultern blähten, während sie selbst vom Lachen geschüttelt in ihrem schamlosen Kostüm unter ihnen herumging, das mit den bis zur Ungesundheit angeschwollenen Fleischklumpen komisch und beängstigend zugleich war.
    Doch bald ließ die Heiterkeit nach. Die Mouquette erzählte Maheu, daß die lange Fleurance nicht mehr kommen werde; man habe sie gestern tot und starr in ihrem Bette gefunden. Die einen redeten von einem Herzübel, die anderen von einer allzu hastig geleerten Schnapsflasche. Maheu war verzweifelt über diese Nachricht; es sei nun wieder ein Unglück, er verliere eine seiner Hilfsarbeiterinnen, ohne sie sogleich ersetzen zu können. Er arbeitete im Akkord; sie waren ihrer vier Häuer in seinem Schlag; er, Zacharias, Levaque und Chaval; wenn sie nur mehr Katharina als Schlepperin hätten, werde die Arbeit sicherlich leiden. Plötzlich rief er aus:
    »Halt! Und der Mann, der vorhin Arbeit suchte?«
    Eben kam Dansaert an der Baracke vorüber. Maheu erzählte ihm die Geschichte und bat um die Ermächtigung, den Mann anzuwerben; dabei betonte er das Bestreben der Gesellschaft, die Hilfsarbeiterinnen durch Burschen zu ersetzen wie in Anzin. Der Oberaufseher lächelte zuerst, denn der Vorschlag, die Frauen von der Grubenarbeit auszuschließen, mißfiel gewöhnlich den Bergleuten, die um die Anstellung ihrer Töchter besorgt waren, wenig berührt durch die Frage der Sittlichkeit und der Gesundheit. Nach kurzem Zögern gab er endlich seine Einwilligung mit dem Vorbehalte, die Genehmigung seiner Entscheidung bei Herrn Negrel, dem Ingenieur, einzuholen.
    »Der Mann muß schon weit sein, wenn er seither immer geht«, sagte Zacharias.
    »Nein,« sagte Katharina, »ich habe ihn bei den Dampfkesseln stehen bleiben sehen.«
    »Lauf ihm nach, Maulaffe!« rief Maheu.
    Das Mädchen setzte sich in Lauf, während ein Trupp Arbeiter zum Schachte hinaufging und anderen das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher