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German für Deutsche

German für Deutsche

Titel: German für Deutsche
Autoren: Jo Wueller
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Medium abdecken muss. Nach der gleichen Logik, nur für andere Leserinnen, arbeitet die Brigitte mit ihren Gemütlichkeitsthemen. Halbwegs anglizismenfrei ist dagegen das kostenlose Anzeigen-Sonntagsblättchen mit den Schweinebauchanzeigen und den Gesundheitstipps für die sparsame Hausfrau.
    Ganz clever und nebenbei volkspädagogisch wertvoll treibt es die erfolgreichste Computerzeitschrift Europas, die Computer Bild aus dem Springer-Verlag. Die Macher wissen: Ohne englische Fachbegriffe können wir unsere Artikel nicht schreiben. Also werden sie erklärt, auf nahezu jeder Seite, dazu am Ende des Heftes in einem Glossar. So wird der merkfähige Leser langsam kompetenter, dem Vergesslichen wird aber immer wieder die Übersetzung geliefert.
    Frei nach Hegel könnte man angesichts der unterschiedlichen Rezepturen sagen: Was wirklich geschrieben und gesprochen wird, ist auch vernünftig. Es könnte sonst auf dem Lesermarkt nicht überleben.
    Es kann aber heute viel mehr an besonderen und absonderlichen Sprach(un)sitten überleben, weil unsere Gesellschaft in immer mehr Milieus, Submilieus, Szenen und Grüppchen ausdifferenziert ist. Die kochen meist alle ihr eigenes Sprachsüppchen. Und ihre Mitglieder scheren sich wenig darum, ob andere als die, die dazugehören sollen, auch verstehen, wie man unter Eingeweihten schreibt und redet.
    Fachsprachliche Ausdrücke, Jargon, Slang und eben auch Anglizismen dienen immer kleineren Sprachszenen zur Identifizierung und Differenzierung. Nicht die allen verständliche Gemeinsprache ist das Entscheidende, sondern das Repertoire an Wörtern, mit denen ein Unterschied zu anderen Sprachverwendern deutlich wird. Im angesagten Coffee Shop geht es dann darum, Latte macchiato richtig auszusprechen und einen Espresso ristretto vom Espresso lungo (Italizismen) unterscheiden zu können. Das ist die Fortsetzung des Differenzierungsspiels der gehobenen Gastronomie, deren Klientel schon immer besondere Fremdsprachenkenntnisse zugemutet wurden.
    Werbung probiert aus, was geht – a uch An glizismen
    Werbung hat Zielgruppen im Blick. Dafür prüft sie, wer von uns was mag, wie viel es kosten darf, und mit welcher Sprache es für uns angepriesen sein muss, damit wir aufmerksam werden. Die Kritik von Sprachwächtern an Anglizismen in der Werbung ist daher noch überflüssiger und sinnloser als die Stilkritik an der journalistischen Zunft. Werber probieren aus, was geht. Natürlich entsteht dabei manches, was nicht geht. Wegen falscher Models, einem Missgriff bei der Farbstimmung. Oder eben einem falsch platzierten Anglizismus.
    Dafür testet die Werbung permanent, was geht. Das macht sie mit Testgruppen. Was an Werbung in die Welt geschickt wird, hat also schon einige Hürden überwinden können. Ob Werbung umsatzfördernd wirkt, ist nie sicher. Ob sie verstanden wird, schon eher. Mode- und Computerwerbung ist ohne Anglizismen nicht denkbar. Aber wenn man genau hinsieht, merkt man: Es wird hier und da auch offensiv deutsch getextet. Oder wieder Französisch genutzt. Auch ein paar Spanischbrocken würzen eine Sektwerbung. Wer nur auf Anglizismen starrt, wird viele entdecken. Werber platzieren aber immer neue Mikro-Trends: Mal wird ein bisschen französelt, mal deutschgetümelt, mal schräg gesampelt. Nur Englisch ist für die Werbung so öde wie nur Deutsch.
    Und manchmal ist gar nicht mehr erkennbar, in welcher Sprache Werbung spricht: BMW bewarb im Herbst 2012 seine neuen Modelle mit einem ECO PRO MODUS . Was heißt das? Der Zielgruppen-Leser und potenzielle BMW -Käufer versteht: Die haben sich eine umweltschonende Fahrschaltung ausgedacht. ECO stammt zwar von engl. ecology ab, aber » Eco« ist seit Jahren ein Internationalismus, sozusagen die global verständliche Markierung für etwas Umweltfreundliches. PRO kommt natürlich von engl. professional. Aber auch vom fast gleich geschriebenen deutschen Fremdwort? Und MODUS ist bewusst anti-englisch; die sagen schließlich mode, was wir ja auch importiert haben. MODUS ist wörtliches Latein. Und damit der Rückgriff auf die alte globale Verständigungssprache der Gebildeten. Ein Häppchen Latein ist » wertiger« als noch mehr Englisch, werden sich die global denkenden Texter gedacht haben. Mischen wir also Moderne mit einem Kick Latin-Classic. (Die unterstellte Strategie ist keinesfalls realitätsfern; der Autor kennt genug Claimfindungs-Meetings in Agenturen aus eigener Anschauung.)
    2010 sah sich die Deutsche Bahn gezwungen, eine sprachliche
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