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German für Deutsche

German für Deutsche

Titel: German für Deutsche
Autoren: Jo Wueller
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wohlklingend, aber unmittelbar verständlich mit » Zuckerrübensirup« übersetzt werden mag?
    Im 19. Jahrhundert sind es die Engländer, die ihren sprachlichen Einfluss geltend machen. Von der Insel jenseits des Kanals kamen nicht nur Industrialisierung samt passender Maschinen, sondern auch der Lebensstil des Sherry trinkenden Gentlemans. Der saß, in bequeme Knickerbocker gekleidet, im Drawingroom und genoss seinen Five o’clock tea. (Alle drei Anglizismen dieses Satzes sind bereits veraltet und fast verschwunden; manche Sprachimporte erledigen sich von selbst.)
    Und dann ersetzten Mitte des 20. Jahrhunderts im Westen Deutschlands die Amerikaner den Traum vom Tausendjährigen Reich durch ein konsumfreudigeres Genießen des Hier und Jetzt. Die GI s waren immerhin die passabelsten Befreier, die damals im Angebot waren. Die USA besaßen nicht nur die modernste Kriegsmaschine, sie hatten auch cool auftretende Soldaten mit Chewing Gum, das auch Kaugummi hieß. Und dazu Musik und Filme, Nylons, Zigaretten und eine insgesamt entspanntere Kultur.
    Wie steif wäre Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg ohne die Amerikaner geblieben? Die Geschichte der DDR hat es demonstriert. Und was wäre aus der zweiten nationalen Lockerungswelle in den 60er Jahren ohne US -Einfluss geworden? Hätte Joschka Fischer im Bundestag Turnschuhe tragen können, wenn die Amerikaner vorher nicht den Vietnamkrieg und die passende Make-Love-Not-War-Bewegung produziert hätten? Plus Haschisch, Cola und passender Popkultur?
    Die Kultur der Moderne und frühen Postmoderne ist ohne amerikanische Anstöße nicht denkbar. Gleich ob in der Luftfahrt, der Computerbranche, der Unterhaltungselektronik, dem Marketing und der Werbung und nicht zuletzt der Popkultur in allen Formen – die Anstöße kamen aus den USA . Auch wenn andere dann klug klauten, allen voran die Japaner und andere asiatische Länder.
    Dominante Kulturen prägten aber schon immer die Sprachen derjenigen, die im Einflussbereich dieser Kulturen leben. Und deshalb prägen Wörter des amerikanisch-globalen Englisch seither nicht nur das Deutsche.
    Die Mehrzahl der Deutschen konnte und kann gut damit leben. Geklagt haben nie die vermeintlichen Opfer der Sprachinfiltration, sondern deren selbst ernannte Retter. Also Figuren aus Kulturpolitik, Universitätsbetrieb und konservativ getönter Medienkultur. Die verfügen meist über bessere Sprachkenntnisse (Ausnahme: politisches Personal). Und was verstehen die Opfer der Englisch-Invasion?
    Verstehen Sie Englisch?
    Zu viele Deutsche können zu wenig Englisch. So lautet ein Pauschaleinwand gegen die Verwendung von Anglizismen in deutschen Texten. » Rund 60 Prozent der Deutschen« können gar nicht Englisch, behauptet Wolf Schneider 1 und bleibt die Quelle schuldig. Der 60-Prozent-Skandal wird natürlich von anderen Sprachkritikern massenhaft zitiert; weil Herr Sprachpapst Schneider es sagt, ist es sakrosankt 2 .
    1 in: Wolf Schneider: Speak German! – Warum Deutsch manchmal besser ist, S . 1 1.
    2 Aus dem latein. sacrosanctus; » hochheilig, unantastbar«; eigentlich » heilig-heilig«, weil sowohl latein. sacer, wie latein. sanctus eben » heilig« bedeuten; die Sprache übertreibt gerne, um einen gewissen Impact zu haben (engl. impact: » Einschlag; Stoß, Wirkung«).
    Befragen die Forscher von Allensbach Deutsche ab 14 Jahren, kommt 2012 heraus: Knapp 29 Millionen sagen von sich, sie hätten überhaupt keine guten oder gar keine Englischkenntnisse. Über 14 Jahre sind etwa 78 Prozent der 81,5 Millionen Deutsche; das macht 63,5 Millionen. 29 Millionen Nichtenglischsprecher – das entspricht 45 Prozent dieser Grundmenge. 45 Prozent sind deutlich weniger als 60 Prozent. Es ist aber immer noch viel.
    Eine andere Umfrage von Allensbach fand 2012 heraus, dass immerhin 63 Prozent der Bundesbürger » zumindest einigermaßen gut« Englisch sprechen und verstehen. Umfragen sind mit Vorsicht zu genießen. Mitteln wir ganz unwissenschaftlich die Ergebnisse und sagen pauschalisierend: 40 Prozent der Deutschen können sehr wenig oder kein Englisch.
    Wer aber ist das? Nicht die Jüngeren zwischen 12 und 25 Jahren. Die haben nach der Shell-Jugendstudie von 2006 zu 80 Prozent Sprachkenntnisse, die eine einfache Unterhaltung mit einem native speaker möglich machen. Wer dann? Wie zu erwarten: die Alten, die es nie in der Schule gelernt haben. Und die Jüngeren mit schlechter Schulbildung. Sodann Schüler der ehemaligen DDR , die Russisch als Weltsprache zu
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