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Gerechtigkeit fuer Igel

Gerechtigkeit fuer Igel

Titel: Gerechtigkeit fuer Igel
Autoren: Ronald Dworkin
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Sie behaupten etwa, die Moralphilosophie müsse sich zum Ziel setzen, die moralische mit der natürlichen Welt zu »versöhnen« – oder die »praktische« Perspektive, die wir einnehmen, wenn wir unser Leben leben, in Übereinstimmung zu bringen mit der theoretischen, von der aus wir uns als Teil der Natur selbst erforschen. Es wird gefragt, wie es möglich ist, daß wir mit diesen Moronen-Schimären »in Kontakt stehen«, oder warum wir, falls das nicht der Fall zu sein scheint, unsere moralischen Ansichten nicht für rein zufällig, sondern für richtig halten. Diese Scheinfragen und Scheinprojekte können auf allen Seiten zu Verwirrung führen. Selbsternannte »Realisten« wollen zum Beispiel eine mysteriöse Verbindung zwischen solchen »Moronen« und uns selbst stipulieren. Diese Versuche diskutiere ich im vierten Kapitel. Zugleich stellen selbsternannte »Antirealisten« fest, daß es überhaupt keine solchen Teilchen »in der Welt« gibt oder wir zumindest keinen »Zugang« zu ihnen haben, und schließen daraus, daß wir uns die Werte eben selbst ausdenken müssen – eine recht bizarre Aufgabenstellung. Wie kann es sich um Werte handeln, wenn wir sie uns einfach ausdenken können? Diesen Versuchen wende ich mich im dritten Kapitel zu.
    All die »realistischen« und »antirealistischen« Projekte lösen sich in Luft auf, wenn wir die Unabhängigkeit der Werte wirk
28 lich ernst nehmen. Dann ist es ebensowenig nötig, einen praktischen mit einem theoretischen Standpunkt zu »versöhnen«, wie die physischen Eigenschaften eines Buches oder die psychologischen des Autors mit einer Interpretation der darin enthaltenen Gedichte zu versöhnen, die beide ignoriert. Man kann nur auf eine Weise plausibel machen, daß manche moralischen Urteile »geistunabhängig« sind, und zwar durch eine moralische Begründung der Behauptung, daß diese Urteile auch dann noch wahr wären, wenn niemand dies glauben würde. Und das einzige verständliche Gegenargument wäre eine moralische Rechtfertigung der entgegengesetzten Behauptung. Im sechsten Kapitel entwickle ich eine Theorie moralischen Wissens, moralischer Verantwortung und moralischer Konflikte; im achten Kapitel eine Theorie moralischer Wahrheit. Diese Theorien gehen selbst aus der Moral hervor und sind also selbst moralische Urteile. So muß Unabhängigkeit in der Moralphilosophie verstanden werden. Diese Sichtweise kommt uns natürlich und vertraut vor, weil wir tatsächlich genau so denken. Es gibt kein nichtzirkuläres Argument, das gegen eine solche Auffassung spräche. Jeder Einwand setzt einen philosophischen Kolonialismus voraus, anstatt seine Notwendigkeit zu begründen.
    Philosophen, die diese Unabhängigkeit leugnen, bestehen darauf, zwischen zwei Bereichen der Moralphilosophie zu unterscheiden, und zwar zwischen moralischen Fragen, etwa: Ist die allgemeine Gesundheitsvorsorge eine Forderung der Gerechtigkeit?, und Fragen über die Moral, etwa: Kann die Behauptung, die allgemeine Gesundheitsvorsorge sei eine Forderung der Gerechtigkeit, wahr sein oder wird hier nur eine Einstellung ausgedrückt? Fragen der ersten Art werden als »substantielle« Fragen beziehungsweise Fragen »erster Ordnung« bezeichnet und jene der zweiten als »metaethische« Fragen oder Fragen »zweiter Ordnung«. Dabei wird davon ausgegangen, daß die Erörterung metaethischer Fragen keine moralischen Urteile, sondern philosophische Begründungen erfordert. Hier findet nun die Spaltung in die beiden eben genannten Lager statt. »Rea
29 listen« sind der Meinung, daß die überzeugendsten nichtmoralischen Argumente zeigen, daß moralische Urteile tatsächlich objektiv wahr sein können, daß es sich um Tatsachenurteile handelt, daß sie die Wirklichkeit beschreiben oder etwas in der Richtung. »Antirealisten« sind vom Gegenteil überzeugt, was immer das genau heißen mag. (In jüngster Zeit haben wieder andere Philosophen begonnen, die Frage zu stellen, ob diese beiden Sichtweisen wirklich so unterschiedlich sind und wie man sie gegebenenfalls unterscheiden kann.
 5 )
    Die Unabhängigkeit der Werte ist für die allgemeinere These dieses Buches, daß die verschiedenen Wertbegriffe und Wertbereiche miteinander verbunden sind und sich wechselseitig stützen, von größter Bedeutung. Die recht einschüchternden philosophischen Fragestellungen, die ich eben erwähnt habe, scheinen zunächst nur vom Fuchs beantwortet werden zu können. Wo kommen die Werte her? Sind sie wirklich »da
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