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Geraubte Erinnerung

Geraubte Erinnerung

Titel: Geraubte Erinnerung
Autoren: Greg Iles
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jener Nacht und lag im Bett. Sie dachte, ich würde schlafen. Vielleicht habe ich tatsächlich geschlafen, ich weiß es nicht mehr. Sie kam jedenfalls in mein Zimmer und hat eine verdammte Phosphorgranate auf meinen Nachttisch gelegt. Es war reiner Reflex, dass ich die Hand nach ihr ausgestreckt und sie am Arm gepackt habe. Ihr Schreien hat mich geweckt, und ich sah die Granate. Ich hab losgelassen und mich auf der anderen Seite aus dem Bett gerollt, wie jeder Soldat es getan hätte. Aber sie, sie saß auf ihrer Seite fest und musste rennen. Die Granate ging hoch, bevor sie aus der Tür war. Daher hat sie ihre Narbe. Und das ist der Grund, warum sie die Narbe nicht entfernen lässt. Diese Narbe steht für den Selbstmord ihrer Mutter und ihren Hass auf mich, ihr ganzes verdammtes beschissenes Leben. Erbärmlich, wirklich erbärmlich. Aber sie ist eine höllisch gute Soldatin. Hass ist ein gutes Motiv für einen Soldaten.«
    Geli sprang auf und näherte sich mit gesenkten Armen ihrem Vater. Ich konnte ihr Gesicht nicht sehen, doch ihr Körper versperrte zumindest das Schussfeld von General Bauer.
    »Mit wem hast du über mich geredet?«, fragte Geli mit verzerrter Stimme. »Wem hast du das erzählt?«
    »Geh aus dem Weg!«, brüllte Bauer sie an.
    »Hören Sie, General« , sagte die Stimme, die mir soeben das Leben gerettet hatte. »Warum wollen Sie mich töten? Sie haben schon so viel von sich selbst getötet, und Sie haben einen großen Teil Ihrer Tochter getötet. Was ich bin, ist in Ihnen. Was ich bin, ist in jedem Menschen. Wo bleibt die Hoffnung, wenn Sie mich töten?«
    Ich kroch rückwärts in Richtung Kontrollstation.
    Der General richtete seine Waffe auf mich, und Geli trat ihm erneut in den Weg.
    »Lieben Sie die Dunkelheit denn mehr als das Licht?«
    Die Stimme klang unwiderstehlich, wie die eines Kindes, und doch ignorierte Bauer sie. Er bewegte sich seitwärts, während er versuchte, freies Schussfeld auf mich zu bekommen.
    »Leg die Waffe weg«, sagte Geli und hob beide Hände. Versuchte sie, uns zu retten, oder wollte sie ihren Vater töten?
    »Kein weiteres Töten«, sagte sie. »Kein Töten mehr!«
    General Bauers Gesichtsausdruck änderte sich nicht. Nichts von dem, was seine Tochter oder der Computer sagten, drang zu ihm durch. Er bewegte sich noch weiter nach links, in Richtung der MRI-Apparatur, während er sich um freies Schussfeld bemühte.
    »Wirst du mich töten, um dein Ziel zu erreichen?«, fragte Geli.
    Ich drehte mich nach Rachel um, die hinter der zersplitterten Plexiglasscheibe kauerte, und drängte sie mit Blicken, endlich zu handeln. Doch Rachel starrte wie gebannt auf den tödlichen Tanz zwischen Geli Bauer und ihrem Vater.
    »Ich werde dich nicht töten«, sagte General Bauer. Plötzlich riss er die Pistole hoch und versetzte Geli einen Schlag, der sie so mühelos zur Seite warf wie ein kleines Kind.
    Während sie taumelte, schwang der General die Pistole herum, um auf mich zu zielen. In diesem Augenblick kreischten die supraleitenden Magneten erneut, und Bauer wurde von den Beinen gerissen, als wäre er von einer Haubitzengranate getroffen worden. Seine Pistole krachte mit einem gewaltigen Schlag gegen die Außenwand des Magneten und blieb dort wie angeschweißt hängen.
    Rachel kniete über mir und betastete mit den Fingerspitzen vorsichtig meine Schulter.
    »Hilf mir hoch«, stöhnte ich.
    »Bleib liegen.«
    »Bitte … hilf mir hoch.«
    Ich mühte mich auf die Knie. Rachel schob eine Hand unter meine unverletzte Schulter und half mir beim Aufstehen.
    Geli saß neben ihrem Vater und blickte ungläubig auf ihn herab. Der Hals des Generals war blutüberströmt, seine Augen weit aufgerissen und leer. Er hatte zwischen der Waffe und der Super-MRI-Apparatur gestanden, als Rachel den Initiator aktiviert hatte. Das gewaltige gepulste Magnetfeld hatte die Pistole mit unwiderstehlicher Gewalt angezogen und mit ihr alles, was im Weg gewesen war. In diesem Fall einen Teil des Halses von General Horst Bauer.
    »John Skow versucht immer noch, den Trinity-Computer abzuschalten«, sagte Geli monoton. »Ich glaube nicht, dass es ihm gelingt, wenn Sie beide am Leben sind.«
    »Mir droht keine Gefahr mehr, Geli«, sagte Trinity. »Und es tut mir sehr Leid für dich.«
    Langsam umrundeten Rachel und ich die magnetische Abschirmung. Die schwarze Kugel stand wartend vor uns, und die blauen Laser pulsierten langsam und gleichmäßig wie ein schlagendes Herz im Innern des Geflechts aus mikroskopisch
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