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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer
Autoren: Serena und das Ungeheuer
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Rotherham, indem er sich
verbeugte, zwar in lässigem Ton, aber seine Augen musterten diese erstaunliche
alte Dame höchst interessiert.
    Sie starrte zurück und musterte ihn
ihrerseits von Kopf bis Fuß. «Heiliger Himmel, Sie sind ja ein richtiggehender
Mohr!» rief sie aus. «Na, es heißt zwar, jeder ist so hübsch wie er kann, aber
soviel ich sehe, Mylord, haben Sie bei der Verteilung nicht gerade gut
abgeschnitten.»
    «Sie dürfen nicht beachten, was Mama
sagt – sie hat einen etwas seltsamen Humor!» sagte Lady Laleham.
    «Es kommt der Sache näher, wenn ich
ihn nicht beachte», bemerkte Mrs. Floore, die sichtlich in kriegerischer
Stimmung war. «Sie müssen schon entschuldigen, Mylord, wenn ich Sie anstarre,
aber ich habe noch nie so seltsame Augenbrauen gesehen! Na, ich kann mich nicht
wundern, Emma, mein Schatz, wenn du geglaubt hast, er schaut dich die ganze
Zeit finster an; das kommt bestimmt nur daher, daß seine Augenbrauen so
gewachsen sind, und dafür kann er nichts, obwohl das natürlich ein Jammer ist.»
    Rotherham behielt seinen ablehnenden
Ausdruck bei, hätte sich aber zu jeder anderen Zeit selbst übertroffen, nur um
Mrs. Floore zu gefallen, so stark fühlte er sich von ihr angezogen. Da aber
ihre Haltung anscheinend feindselig war, sah er in ihr seine einzige Hoffnung
auf Erlösung und überlegte, wie er sie am besten ärgern könnte.
    «Liebe Mama, du weißt, daß Emily
Lord Rotherham allein sprechen wollte!» sagte Lady Laleham. «Glaubst du nicht,
daß es vielleicht ...»
    «Nein, das glaube ich nicht», fiel
ihr Mrs. Floore grob ins Wort. «Und außerdem war es nicht Emma, die mit ihm
allein sein wollte, und wenn sie es gewollt hätte, dann
merke ich nicht viel von Alleinsein, wenn du neben ihr herumstehst, Sukey!»
    «Du vergißt, Mama, daß ich ihre
Mutter bin.»
    «Na, und wenn ich das vergesse, wer
ist schuld daran?» fragte Mrs. Floore. «Du handelst weiß Gott sehr mütterlich,
und es kann leicht passieren, daß ich das wirklich vergesse! So wie die arme
kleine Emma dreinschaut, habt ihr sie beide tyrannisiert. So ist's recht, Ned,
gib ihr einen Sessel, und du, mein Schatz, hab keine Angst, weil du nämlich gar
keine Angst haben mußt!»
    «Durchaus nicht!» sagte Lady
Laleham. «Lord Rotherham war überaus nachsichtig, genau wie ich es
vorausgesehen habe, und hat nicht ein Wort der Kritik geäußert, nicht wahr,
Emily?»
    «Nein, Mama», sagte Emily mit einem
leisen, erschrockenen Stimmchen.
    «Das will ich auch hoffen!» sagte
Mrs. Floore mit blitzenden Augen. «Das bedeutet aber noch nicht, daß er nicht
ein Wort der Kritik von mir zu hören bekommt – und sogar ziemlich viele Worte!
Jawohl, es ist alles sehr schön, großartig aufzutreten, Mylord, und mich anzuschauen,
als sei ich eine Spinne, und sehr wahrscheinlich denken Sie sich, daß ich nur
eine gewöhnliche alte Frau bin, aber ich sage, wenn jemand an dem schuld ist,
was geschehen ist, dann sind das Sie!»
    «Gegen Gewöhnlichkeit habe ich
nichts», antwortete Rotherham. «Was ich jedoch nicht dulde, ist Einmischung.
Das sollte lieber unverzüglich begriffen werden.»
    Mrs. Floore schien zu schwellen.
«Ho! Wenn ich Ihnen also sage, ich will nicht, daß meine Enkelin unglücklich
gemacht wird, so ist das Einmischung, ja?»
    «Wenn Emily durch mich unglücklich
wird, dann liegt das Heilmittel in ihren eigenen Händen.»
    «Mama, ich bitte dich, sei still!»
schrie Lady Laleham. «So ein Unsinn! Als hätte sie nicht jeden Grund, das glücklichste
Mädchen unter der Sonne zu sein!»
    «Du kannst vor Seiner Lordschaft
speichellecken, soviel du willst, Sukey, aber laß dir bloß nicht einfallen, daß
du mir anschaffen kannst, still zu sein, oder aber zwischen uns beiden ist
Schluß – was bestimmt nicht in deine Rechnung passen würde! Von dem Moment an,
da sich Emma mit diesem Marquis verlobt hat, schaut sie gottsjämmerlich aus
und ist längst nicht mehr ihr sonniges Selbst ...»
    «Meine liebe Mama, ich habe dir
dutzendmal gesagt, daran ist London schuld, und die vielen Vergnügungen, die
sie dort genossen hat, waren einfach zuviel für sie!»
    «Dann brauchen Sie sich nicht länger
um ihre Gesundheit zu ängstigen», sagte Rotherham. «Wir werden nicht in London
leben.»
    Dieser Ausspruch in der kurz angebundenen,
sachlicher Art, in der er vorgebracht wurde, überraschte Emily so, daß sie mit
erhobener Stimme wiederholte: «Nicht in London leben?»
    «Nein.»
    «Mein liebes Kind, Lord Rotherham
will damit sagen, daß du
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