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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer
Autoren: Venetia und der Wuestling
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konnte nicht
eine einzige Erinnerung an mütterliche Besorgnis oder Liebe heraufbeschwören.
Sicher war, daß Lady Lanyon die Liebe ihres Gatten zum Landleben nicht geteilt
hatte. Jedes Frühjahr hatte das schlecht zusammenpassende Paar in London
gesehen; der Frühsommer brachte sie nach Brighton. Wenn sie nach Undershaw
zurückkehrten, dauerte es nicht lange, bis Ihre Gnaden Trübsal blies. Und wenn
sich der Winter über Yorkshire senkte, konnte sie unmöglich das strenge Klima
ertragen und war mit ihrem widerstrebenden Gatten auf und davon, auf einer Besuchstour
bei ihren Freunden. Kein Mensch hätte sich vorstellen können, daß Sir Francis
eine solche Schmetterlingsexistenz paßte, dennoch war er ein geschlagener Mann,
als eine plötzliche Krankheit seine Frau dahinraffte, nicht imstande, den
Anblick ihres Porträts an der Wand zu ertragen, noch ihren Namen erwähnt zu hören.
    Seine Kinder wuchsen in der Wüste
auf, die er geschaffen hatte; nur Conway, der nach Eton geschickt wurde und von
dort in ein Infanterieregiment eintrat, entfloh in eine größere Welt. Weder Venetia noch Aubrey waren weiter als
von Undershaw nach Scarborough gekommen, und ihre Bekanntschaft beschränkte
sich auf die paar Familien, die in Reichweite des Herrenhauses lebten. Keinem
von beiden tat das leid, Aubrey nicht, weil er davor zurückschrak, unter
Fremde zu gehen, Venetia, weil es ihr einfach nicht lag, es zu bedauern. Sie
war nur ein einziges Mal untröstlich gewesen, und zwar, als sie siebzehn wurde
und Sir Francis es ablehnte, sie zu seiner Schwester nach London fahren zu
lassen, damit Venetia bei Hof vorgestellt und in die Gesellschaft eingeführt
werde. Es schien hart, und sie hatte einige Tränchen vergossen. Aber nur ein
bißchen Überlegung hatte genügt, sie zu überzeugen, daß der Plan wirklich
ziemlich undurchführbar war. Sie konnte Aubrey, damals ein kränklicher
Achtjähriger, nicht allein der Pflege der Nurse überlassen: die Ergebenheit
dieses vortrefflichen Geschöpfes hätte ihn ins Irrenhaus gebracht. So hatte sie
die Tränen getrocknet und sich mit der Situation abgefunden. Papa war
schließlich doch nicht so unvernünftig. Wenn er auch einer Londoner Saison
nicht zustimmen wollte, so erhob er doch keinen Einwand dagegen, daß sie die
Unterhaltungen in York oder sogar in Harrogate mitmachte, wann immer Lady Denny
oder Mrs. Yardley sie einlud, mitzufahren, was sie ziemlich häufig taten, die
eine aus Güte, die andere unter dem Druck ihres entschlossenen Sohnes. Auch war
Papa durchaus nicht kleinlich: er kümmerte sich nie um ihre Ausgaben für den
Haushalt, gab ihr eine recht schöne Apanage und hinterließ ihr, einigermaßen
zu ihrer Überraschung, nach seinem Tod ein recht respektables Einkommen.
    Dieses Ereignis hatte sich vor drei
Jahren abgespielt, einen Monat nach dem glorreichen Sieg bei Waterloo, und
ganz unerwartet, durch einen tödlichen Schlaganfall. Es war für seine Kinder
zwar ein Schock, aber kein Kummer gewesen. «In Wirklichkeit», sagte Venetia zum
Entsetzen der gütigen Lady Denny, «kommen wir viel besser ohne ihn aus.»
    «Aber, meine Liebe!» schnappte Ihre
Gnaden nach Luft; sie war ins Herrenhaus gekommen, darauf vorbereitet, die
Waisen an ihr sentimentales Herz zu schließen. «Du bist überreizt!»
    «Aber wirklich nicht!» antwortete
Venetia lachend, «wie oft haben Sie, Ma'am, doch selbst von ihm erklärt, daß
er der unnatürlichste Vater sei?»
    «Aber jetzt ist er doch tot,
Venetia!»
    «Ja, aber ich glaube nicht, daß er
jetzt mehr Zärtlichkeit für uns übrig hat als in seinem Leben, Ma'am. Wissen
Sie, er hat sich nie im geringsten angestrengt, unsere Liebe zu gewinnen, also
kann er doch wirklich unmöglich erwarten, daß wir um ihn trauern.»
    Da Lady Denny fand, daß sie darauf
keine Antwort geben konnte, bat sie Venetia, so etwas nicht zu sagen, und
fragte schnell, was Venetia nun vorhabe. Venetia hatte gesagt, daß alles von
Conway abhinge. Bis er heimkam, um sein Erbe anzutreten, konnte sie nichts tun
als weiterleben wie bisher. «Außer natürlich, daß ich jetzt imstande bin,
unsere Freunde daheim zu bewirten, was viel gemütlicher sein wird als damals,
als Papa niemandem als Edward Yardley und Dr. Bentworth erlaubte, die Schwelle
zu überschreiten.»
    Drei Jahre später wartete Venetia
immer noch auf die Heimkehr Conways, und Lady Denny hatte fast aufgehört, sich
über seinen Egoismus aufzuregen, mit dem er die Last seiner Angelegenheiten auf
den Schultern Venetias
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