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Geopfert - [Gus Dury ; 1]

Geopfert - [Gus Dury ; 1]

Titel: Geopfert - [Gus Dury ; 1]
Autoren: Carl Hanser Verlag
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zulegte, komplett austickte und Kim Basinger abservierte.
    Die Scheine vor meiner Nase wurden schneller gezählt, als jeder Kassierer einer Bank es könnte. Das Lächeln des Russen verschwand noch einen Tick schneller. »Montag«, sagte er.
    Jetzt war ich in Miami Blues und musste mich schwer zusammenreißen, um nicht zu sagen: »Besorg mir ein Mädchen, Pablo.«
    Begnügte mich mit: »Du scherzt.«
    Er bekam große Augen. Er machte wohl keine Witze. Ich blieb noch einen Moment an der Rezeption stehen, dann brachte ich meine Tasche aufs Zimmer.
    Er brüllte mir nach: »Alkohol und Drogen sind hier im Haus streng verboten.«
    Ich drehte mich um und schenkte ihm meinen besten messerwerfenden Blick. Ich wusste, dass er gleich leise die Worte »Kenn euch verfluchte Schotten doch« brummen würde. Das war eine der Begleiterscheinungen der städtischen Bestrebungen, mit Gewalt multikulti sein zu wollen; an manchen Orten waren wir ganz klar die Minderheit.
    Im Zimmer ließ ich meine Tasche fallen. Ungefähr die letzten drei Monate hatte ich über Cols Kneipe gepennt. Das winzige Apartment lag direkt über dem Herrenklo, und es stank wie die Waverley Steps nach der Polizeistunde. Mein neues Zimmer sah klein und ungeheuer schäbig aus, kam mir aber vergleichsweise wie eine echte Verbesserung vor.
    Ich warf einen kurzen Blick in den Spiegel: verblichene Jeansjacke, einen Tick verblichenere Levis 501 mit zerrissenem Knie sowie meine persönliche Krönung, völlig ramponierte kirschrote Docs. Ich sah aus wie Jim der Weggetretene aus der amerikanischen Sitcom Taxi.
    Irgendwas musste geschehen. Ich fing mir auf der Straße bereits schräge Blicke ein. Die Sorte von Loser-Blicken, die einen auffordern: »Geh arbeiten, du Penner!« Das macht mich direkt munter. Das trifft mich ins Mark. Mir war klar, ich musste mich auf Vordermann bringen.
    Ich spritzte mir Wasser ins Gesicht. Fuhr mir mit den Fingern durchs Haar. Es war so lang, dass es problemlos hinten blieb. Bei mir war dringend Körperpflege angesagt, allerdings bezwang ich den Drang, sofort damit zu beginnen.
    Ich füllte den Wasserkocher, eines dieser kannenartigen Geräte. Riss einen Beutel Nescafé auf. Mir war nach einem Koffeinkick. Um die Wahrheit zu sagen, mir war eher nach etwas Stärkerem, doch das würde warten müssen.
    Die Tasse hatte kaum meinen Mund berührt, als sich jemand an der Tür bemerkbar machte. Es war ein leichtes, leises Anklopfen wie von einem Kind oder, wenn ich Glück hatte, von einer Frau. Ich machte auf. In der Tür stand ein kleiner alter Mann, gebeugt und zart wie Spitze.
    »Ich hasse das! Die Anklopferei ist die reinste Hölle für meine Hände«, sagte er und massierte seine Finger.
    Ich schaute nach unten. Seine Finger schienen rechtwinklig gefaltet zu sein. Deutlich vorstehende, angeschwollene Gelenke, wo die Arthrose in den Knochen tobte.
    »Hallöchen, ich bin Milo«, sagte er und streckte mir eine Hand entgegen, recht tapfer, wie ich fand.
    »Freut mich.« Ich berührte seine beiden am weitesten vorstehenden Finger kaum. Sie fühlten sich weich und kalt an. Die Haut so glatt wie von einem Baby, und doch sahen sie völlig anders aus. »Ich heiße Gus«, sagte ich.
    »Hab gehört, wie Sie reingekommen sind, hab auch das Gelaber von wegen Trinken verboten mitbekommen. Dachte mir, vielleicht kommen Sie ja aus meiner alten Heimat. Ich bin ein Ire aus Limerick – und Sie?«
    »Äh, nein, ich komme von hier, bin durch und durch ein Junge aus Leith.« Ich bemerkte einen Anflug von Enttäuschung in den Augen des alten Mannes. Er wirkte einsam. Ich spürte die Trübsal aus ihm wabern, es verpasste meinem Herzen einen Tritt wie Bruce Lee in Zeitlupe. »Hören Sie, das Wasser hat gerade gekocht. Kann ich Ihnen einen Kaffee anbieten?«
    »Haben Sie auch Tee?«
    Ich warf einen Blick auf das Tablett neben dem Kocher. »Äh, nein. Tut mir leid.«
    »Ich bin nämlich Teetrinker. Schönes Tässchen Tee würd’ ich mit Ihnen schlürfen – Kaffee bringt meine Innereien gewaltig in Aufruhr.« Er ließ sich auf dem einzigen Stuhl des Zimmers nieder. »Sind Sie vom Trust?«
    »Vom Trust?«
    »Die Christian Fellowship. Die haben mich hier untergebracht. Ein verdammtes Loch, wenn ich ehrlich bin.«
    »Das Brigadoon?«
    »Brigadoon, meine Fresse! Der Iwan schmeißt den Laden. Die sind hier einfach überall, man kommt sich schon vor wie auf dem Roten Platz, das kann ich Ihnen sagen.«
    Ich riskierte ein Lachen.
    »Kümmern die sich um Sie, Milo?«
    »Ich geh
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