Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geopfert - [Gus Dury ; 1]

Geopfert - [Gus Dury ; 1]

Titel: Geopfert - [Gus Dury ; 1]
Autoren: Carl Hanser Verlag
Vom Netzwerk:
stecken. Eine lähmende Ratlosigkeit beschlich mich, und ich stellte meinen Kragen auf. Sah schwer nach Mel Gibson in Fletchers Visionen aus – aber wem machte ich was vor?
    So wie du im Moment aussiehst, Dury, kannst du von Glück reden, wenn deine eigene Mutter dich erkennt, sagte ich mir.
    Auf dem Bürgersteig hielt mich ein amerikanischer Tourist an. Er sah aus wie frisch aus den Seiten eines Ralph-Lauren-Katalogs entsprungen. Durchgängig keramikverblendete Zähne auf aufgesprühter Bräune. Stramm auf die fünfzig zugehend, aber tapfer dagegen ankämpfend. Er schleimte sich an mich ran; ich rechnete schon damit, so etwas Blödes und Hirnverbranntes gefragt zu werden, wie es alle Amerikaner fragen, wenn sie einen auf der Princes Street aufhalten. So was wie: »Können Sie mir sagen, wie ich zur Rabbi-Burns-Synagoge komme?«
    Ich versuchte ihm seitlich auszuweichen. Der Tourist war ziemlich fit, trieb offensichtlich Sport. Er sprang vor mich hin und zückte eine Zigarre à la Groucho Marx. »Hast du vielleicht ein Streichholz, Kumpel?«, fragte er.
    Ich sah ihn direkt an und verpasste ihm dies: »Seit Errol Flynn gestorben ist, nicht mehr!«
    Er machte Platz, um mich vorbeizulassen. Im Weitergehen drehte ich mich noch einmal um und sah, wie sich sein Mund zu einem O verformte und er bestürzt die Zigarre herausnahm.
    Es gibt Leute, denen kann man sehr leicht zeigen, wo der Hammer hängt. Aber irgendetwas sagte mir, dass Nadja ein ganz anderes Kaliber sein könnte.

D as Shandwick sah stinkvornehm aus. Billys Mädel fand offenbar Gefallen an den besseren Dingen des Lebens. Ich war schon viele Male an dem Laden vorbeigekommen, aber noch nie drin gewesen. Ich hatte Debs versprochen, wenn wir uns mal was Besonderes gönnen wollen, gehen wir irgendwann hin, doch das schien eine Ewigkeit her zu sein, lange bevor wir anfingen, nur noch über unsere Anwälte miteinander zu kommunizieren.
    Col hatte mir Nadja beschrieben, hatte gesagt, sie sehe zwar klasse aus, sei aber nur »ein Vamp, der aufs Geld aus ist«. Ich sah sofort, dass er sich in einem Punkt irrte. Entweder das, oder Col und ich hatten grundverschiedene Vorstellungen von Klasse.
    Sie sah aus wie die typische Fußballerfrau: wasserstoffblond, Nuttenstiefel, »nix als Pelz und dann kein Höschen«, wie die Schotten sagen. Außen hui, innen pfui.
    Ich setzte mich an ihren Tisch auf der Veranda nach hinten hinaus und stellte mich vor. »Ich bin Gus Dury«, sagte ich.
    »Sollte mir der Name irgendetwas sagen?«, erwiderte Nadja und verzog ihre Lippen zu einem kleinen roten Amorbogen. ›Wie süß‹, dachte ich.
    Ich schlug zurück. »Früher vielleicht mal.« Ich meine, wer war ich denn? Ein Niemand? Nun ja, aber das musste sie ja nicht wissen.
    Sie zögerte, steckte sich eine Zigarette, eine Dunhill, an und fragte: »Warum sind Sie hier, Mr. Dury?«
    Wir kommen schnell zur Sache, hmh? Ich konterte mit: »Ich glaube, wir wissen beide, warum.«
    Ein sanft geschwungener Rauchfaden löste sich von ihren Lippen, als der Kellner mit der Speisekarte, so dick wie ein Telefonbuch, anrollte.
    »Werden Sie bei uns zu Mittag speisen, Sir?«
    Ich musste zweimal hinschauen. Konnte mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so angesprochen worden war. »Äh, nein.« Hatte nicht vor, länger zu bleiben. »Für mich nichts, vielen Dank.« Mir war danach, den Laden trocken zu saufen, ich blieb aber bei der Sache.
    Nadja hob ihre schwer wimperngetuschten Augen. »Bringen Sie ihm einen Tee … Earl Grey.«
    Sie entließ ihn mit einer wegwerfenden Geste, doch ich schob ihm meine Hand in den Weg. »Das ändern wir lieber ab, mein Freund! Einen Earl Brown.«
    »Verzeihen Sie bitte, Sir?«
    »Ich trinke keinen Tee. Ich hätte aber gern eine heiße Schokolade.«
    Nadja verscheuchte den Kellner mit einem ungeduldigen Wedeln ihrer sorgfältig manikürten Griffel. »Wer schickt Sie?«, fragte sie.
    »Sorry, aber keine Chance. Ich behandle die Namen meiner Kunden vertraulich.« Es war ein gutes Gefühl, die Zügel in die Hand zu nehmen. »Ich muss ein paar Dinge wissen, für den Anfang zum Beispiel, wann haben Sie Billy das letzte Mal gesehen – heil und in einem Stück.« Scheiß doch der Hund drauf, sie kam mir nicht wie jemand vor, bei dem man lange um den heißen Brei herumreden musste.
    »Keine Ahnung«, erwiderte sie schnippisch. Sie wirkte ein wenig verunsichert und paffte hektisch an ihrer Dunhill. »Ist jetzt vielleicht drei Wochen her.«
    »Ganz schön lange. Was hat die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher