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Geopfert - [Gus Dury ; 1]

Geopfert - [Gus Dury ; 1]

Titel: Geopfert - [Gus Dury ; 1]
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Benson’s.
    »Hallo? Hallo, mein Name ist Gus Dury.«
    Schweigen.
    Ich hörte Atmen am anderen Ende der Leitung.
    »Hallo«, wiederholte ich, »ich habe mich gefragt, ob … Hören Sie, spreche ich mit Nadja? Ich habe Ihre Nummer von Billys Vater, von Col.«
    »Ja, hier ist Nadja.« Sie hatte einen starken osteuropäischen Akzent. Sie erinnerte mich an das Bond-Girl Xenia Onatopp. Ich hoffte, sie würde nicht genauso viel Ärger machen.
    Ich fasste mich kurz. »Ich habe mich gefragt, ob wir uns vielleicht treffen könnten. Ich würde gern mit Ihnen über Billy sprechen.«
    Ich war auf ein paar Tränen gefasst. Wenigstens ein paar gestammelte Worte, doch sie blieb reserviert: »Ich habe nichts zu sagen.«
    Ich nahm das Telefon in die andere Hand. »Hören Sie, ich kannte Billy flüchtig, und ich denke wirklich –«
    Sie fiel mir ins Wort. »Das bedeutet mir überhaupt nichts.« Ich hörte, wie sie den Hörer in die andere Hand nahm. »Sind Sie jetzt fertig?«
    Ich fuhr schweres Geschütz auf, machte klar, dass ich nicht herumalberte. »Hören Sie, Lady, falls es das gewesen sein soll, bin ich als nächstes bei den Bullen.«
    Wieder Schweigen.
    Ich senkte meine Stimme zu einem Flüstern, legte diesen drohenden Unterton hinein. »Haben Sie mich verstanden?«
    Sie ließ das ein bisschen einsickern, dann zischte es an ihrem Ende der Leitung. »Kennen Sie das Shandwick?«
    Ein Hotel in New Town, am nobleren Ende, Loden- und Tweed-Territorium. »Ja, in der George Street. Nicht so ganz meine Liga.«
    »Seien Sie um drei dort.«
    Ich legte das Telefon aus der Hand, das Display war beschlagen. Mein Hirn fühlte sich auch ziemlich bedeckt an.
    Ich hatte ein paar Stunden totzuschlagen, also schlenderte ich das Kopfsteinpflaster zum Leith Walk hinunter und weiter zum Bull’s Head. Drinnen bestellte ich einen Jim Beam, dem ich sofort einen zweiten folgen ließ. Spürte, wie sich sein Feuer in meinen Innereien ausbreitete, und hob das Glas wieder. Der untersetzte Barkeeper mit einem Bauch wie eine Abrissbirne schenkte gleich nach.
    Ein Warnschild flammte vor meinem inneren Auge auf: »Ganz ruhig, Gus.« Eine Sirene heulte, wurde aber übertönt vom Sturm der Begierde. Im Spiegel über der Theke erspähte ich jemanden, der mir irgendwie bekannt vorkam. Seine Haut war weiß wie eine Made, seine Augen in Senf getaucht. Ich trank einen Schluck und fühlte mich plötzlich, als säße ich in einem Zug im Bahnhof und der Zug neben meinem setzte sich in Bewegung.
    Ich starrte mich weiter an. Ich sah aus wie rohe Innereien und bestenfalls halb so einladend. Ich dachte: ›Mir möchte ich in einer dunklen Nacht auch nicht begegnen.‹
    Meine Haare waren viel zu lang, ich sah aus wie der aufgedunsene Jim Morrison, Paris ’71 – so wie er bei täglich vier Packungen Marlboro und ein paar Flaschen Schnaps ausgesehen hatte.
    Ich hörte weiter The End. Immer wieder und wieder kreiste es in meinem Kopf: »This is the e-e-end.« Nach einem mächtigen Schluck kippte ich aus den Latschen. Von Fledermäusen attackiert, kam ich wieder zu mir. Meine Hände zitterten so heftig, dass ich keine einzige erwischte. Doch sie verschwanden bald wieder. Lang bleiben sie nie. Und außerdem sind es sowieso die Bussarde, wegen denen man sich wirklich Sorgen machen muss.
    Ich blickte zum Barmann auf; er polierte ein Pint-Glas, den Arm dabei auf seiner Wampe abgestützt. Er hatte meinen Blackout verpasst, und ich wollte nicht so lange bleiben, dass er den Nächsten mitbekam. Ich stand auf und ging.
    Das grelle Tageslicht draußen ließ mich blinzeln. Die Sonne begann sich durch die Wolkendecke zu schieben. Ich stolperte in das touristische Zentrum der Stadt. Kilttragende Mannequins drückten sich vor den Schaufenstern herum, und süße Schoßhündchen bettelten darum, aufgehoben und anschließend per Dropkick ins Aus befördert zu werden.
    ›Das Maß ist voll‹, dachte ich. Ich will zurück ins East End und ein bisschen Arbeiterglückseligkeit.
    Das Scott Monument zeichnete sich schwarz vor der Skyline ab und warf einen Schatten in Richtung der dicht an dicht stehenden Häuser der Old Town. Eine Brise mischte den Smog der Stadt auf und blies ihn die Princes Street hinunter. Dieselabgase wirbelten auf, stark genug, um sie schmecken zu können. Das Einzige, was dieses Dreckzeugs noch übertrifft, sind die Ausdünstungen der Brauerei. Ich dankte dem Allmächtigen für ihre Abwesenheit.
    Ich empfand keinerlei Freude, so tief im Innersten einer Pralinenschachtel zu
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