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Generation Laminat - mit uns beginnt der Abstieg

Generation Laminat - mit uns beginnt der Abstieg

Titel: Generation Laminat - mit uns beginnt der Abstieg
Autoren: Kathrin Fischer
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diesem Staat schaden, nicht die sind, die unten sitzen. Es sind diejenigen, die Steuern vermeiden, hinterziehen und politischen Druck ausüben dahingehend, dass Unternehmens- und Vermögenssteuern gesenkt werden. Es sind diejenigen, die die Verantwortung ablehnen, die daraus erwächst, dass wir soziale Wesen und auf den Nächsten angewiesen sind. Es sind die sogenannten und selbst ernannten Eliten aus Wirtschaft und Politik, die in einer »rohen Bürgerlichkeit« zunehmend die da unten verachten und einen »Klassenkampf von oben« (Wilhelm Heitmeyer) führen.
    Es sind diejenigen, zu denen die Mittelklasse aufsteigen will. Mit denen sie sich identifiziert. Deren Lebensstil sie imitiert, allerdings in günstigeren Kopien. Statt echter Feinkost deren Discounter-Angebot, statt echtem Design dessen Imitat aus einem Einrichtungskonzern, statt echter Couture die in Bangladesch geschneiderten Billig-Varianten großer Textileinzelhandelsunternehmens. Ganz gleich, wie schlecht die Qualität, ganz gleich, wie fatal die Produktionsbedingungen für Mensch, Tier und Umwelt: Hauptsache, es sieht so aus wie in den gehobenen Wohn-, Essens- oder Modemagazinen.
    Solange wir aus der Mittelschicht zu »denen da oben« aufschauen und auf »die da unten« herabschauen, solange wir die soziale Spaltung mittragen und alles versuchen, um auf der richtigen Seite des Risses zu landen, so lange wird sich nichts ändern. So lange unterstützen wir nämlich eine Gesetzgebung, die uns schadet.
    147 Unternehmen regieren die Welt. 147 Unternehmen beschäftigen Tausende von Lobbyisten. 147 Unternehmen üben weltweit Druck auf Regierungen aus. Wer profitiert davon? Diejenigen, die die Brötchen backen für die Vorstandschefs? Diejenigen, die ihnen die Haare schneiden? Die ihre Hemden waschen? Die ihre Autos zusammenbauen? Die die Straße kehren, auf der sie fahren? Die ihnen die verspannten Nacken massieren?
    Nein. Auch nicht diejenigen, die über sie berichten. Die ihre Kinder unterrichten. Die in den Kultureinrichtungen beschäftigt sind, mit deren Besuch sie gerne Abgrenzung durch Kulturkonsum praktizieren. Auch nicht diejenigen, die an den Hochschulen unterrichten, an die »die Elite« ihre Kinder nie schicken wird, weil es sich nicht um private oder kostenpflichtige Einrichtungen handelt.
    Es profitieren sehr wenige. Und ich glaube, der Patenonkel unseres Nachbarkindes hat insofern Recht, als es gilt, ihnen den Kampf zu erklären. Allerdings ohne den Gebrauch von Schusswaffen. Sondern durch Zusammenschluss. Durch Wut. Durch Selbstbewusstsein. Durch Gemeinschaft. Durch politische Forderungen.
    Forderungen nach einer gerechten Steuerpolitik beispielsweise, etwa die Einkommenssteuer progressiver zu gestalten, Maßnahmen zur Eindämmung der Steuerflucht zu ergreifen, Steuererleichterungen für Besserverdienende abzuschaffen oder höhere Steuern auf Vermögen und Grundbesitz zu erheben, könnten dazu beitragen, Einkommen besser umzuverteilen. 170
    170 http://www.oecd.org/document/54/0,3746,de_34968570_35008930_49176950_1_1_1_1,00.html (30.12.2011)
    Da viele der deutschen Steuerungerechtigkeiten aufgrund des Steuerwettbewerbs innerhalb der EU entstanden sind, fordert beispielsweise Nicola Liebert eine Steuerharmonisierung in der EU, also eine Ergänzung der Zoll- und Währungsunion durch eine Sozial- und Steuerunion. Mag der Weg dahin auch schwierig sein: Deutschland sollte sich dennoch darum bemühen, denn der Steuerwettbewerb ruiniert die Staatskasse, die Steuermoral und den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft. »Der moderne Kapitalismus«, schreibt Jakob Augstein, »entzieht dem Sozialstaat die Geschäftsgrundlage.« 171
    171 Jakob Augstein: Fairness ist Zufall. In: SPIEGEL, 10.2.2011
    Auch eine internationale CO 2 -Steuer ist eine Forderung wert. Es gibt zwei Wege, den Ausstoß von Kohlendioxid massiv zu reduzieren: indem man – wie die EU – einen Handel mit Emissionszertifikaten einführt oder indem Steuern auf die fossilen Energieträger Mineralöl, Kohle und Gas erhoben werden. Die Steuer hat den Vorteil, dass sie als Umverteilungsinstrument fungieren kann – wird sie konsequent eingesetzt, könnten die Mehreinnahmen etwa zu einer Senkung der Lohnnebenkosten verwendet werden.
    Oder eine Finanztransaktionssteuer. Sie funktioniert so ähnlich wie eine Mehrwertsteuer auf Bankgeschäfte. Der Staat belegt dabei den Handel mit fast allen Finanzprodukten mit einer minimalen Steuer. Angedacht sind Steuersätze von 0,01 bis 0,5 Prozent. Diese
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