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Gemischte Gefühle

Gemischte Gefühle

Titel: Gemischte Gefühle
Autoren: Ronald M. Hahn
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war entsprechend hoch. Aber dafür boten wir auch ein Erlebnis, das man so schnell nicht wieder vergaß.
    Als Social Relations Supervisor unseres Ferienimperiums war es eigentlich nicht mein Job, so eine Veranstaltung zu organisieren. Dafür hatte ich meine Leute. Aber manchmal kümmerte ich mich doch spaßeshalber darum, um den Kontakt zur Basisarbeit nicht zu verlieren.
    Nigel Greenslade, der den Geist spielte, war noch nicht da. Wahrscheinlich trauerte er wieder seiner großen Zeit in Stratford nach, bevor sie ihn wegen seiner Sauferei gefeuert hatten. Aber er würde seinen Auftritt schon nicht versäumen.
    Ich machte einen gründlichen technischen Check-up in dem leeren Spukhaus. Alle Systeme arbeiteten einwandfrei.
    Zwei Stunden später war es soweit. Die Sonne war untergegangen, und ein steifer Ostwind rüttelte an den Fensterläden. Die 25 Gäste unserer Spuk-Show saßen um den runden Tisch im Kaminzimmer. Sie kamen vom Abendessen, waren satt und zufrieden und wollten sich jetzt gepflegt unterhalten lassen.
    In spätestens zehn Minuten würde ihnen das Grauen im Genick sitzen. Sie würden alles für echt halten, das wußte ich aus Erfahrung. Wir hatten das Jenseits mit unserer Organisation perfekt in den Griff bekommen. Vielleicht würde es sogar zu einer der kleinen Herzattacken kommen, die so zur unwiderstehlichen Anziehungskraft unseres Geisterabends beigetragen hatten.
    Ein leichter Tropenregen prasselte an die Fensterläden. In den Köpfen der Teilnehmer war es längst ein englischer Landregen. Die Atmosphäre begann zu wirken.
    Wir waren 27-3 mal 3 mal 3. Sehr magisch. Düstere Ahnenporträts starrten auf uns herab. Das Kaminholz knackte. Es war geisterhaft still.
    Madame Zagorski, das Medium, erwachte aus ihrer Versenkung.
    „Die Zeit ist gekommen.“
    Ihre Stimme war leise, schwingend und auf unheimliche Weise zerbrochen, als hätte sie alle Alpträume dieser Welt gesehen.
    Es kam aber nur vom Suff und von den Zigaretten.
    „Die Geister sind uns gewogen.“
    Noch brüchiger wurde ihre Stimme. In ihre Augen trat das transzendentale Funkeln, das ihre Kunden im Battersea Park schon so beeindruckt hatte.
    „Laßt uns die Hände reichen, um den magischen Kreis zu bilden.“
    Feuchte Hände wurden beklommen ineinander geschoben. In der Stille konnte man seinen eigenen Herzschlag hören.
    Lange Zeit verharrten wir so.
    „AAAHHHH!“
    Sie warf sich nach vorn, zurück, nach vorn, zurück.
    „Kontakt!“
    Das Kaminfeuer loderte im Takt ihrer Bewegungen auf, knisterte und prasselte, warf seltsame Schatten auf die Wände. Ein leichter Schwefelgeruch stand plötzlich im Raum.
    Sie wand sich weiter in ihrem Stuhl und löste damit die Relais aus, die Sauerstoff ins Feuer pumpten und es so dämonisch zum Pulsieren brachten.
    Seufzer lösten sich von den Lippen, als der Tisch in Bewegung geriet. Grotesk ruckelnd schob er sich hin und her.
    Die Magnete unter dem Fußboden leisteten jetzt Schwerarbeit.
    „Bist du da? Bist du da?“
    Ihre Stimme war verquollen und hatte kaum noch etwas Menschliches an sich.
    Sie war unglaublich überzeugend. Mir fiel ein, daß sie ein echtes Medium war. Was war, wenn sie tatsächlich einmal Kontakt bekam?
    „Ja, ja, JA!“
    Wenn tatsächlich einmal eine Kraft aus dem Jenseits in unsere elektromagnetisch gesteuerte Touristenfalle eindringen würde?
    Mir lief es kalt über den Rücken. Aber es waren nur die kleinen Düsen in der Decke, die eisige Luft auf uns herabbliesen.
    Ein Fenster flog krachend auf. Relais 14. Die Vorhänge bauschten sich. Irgendwo im Haus knarrte eine Tür.
    „Er ist da. Er ist gekommen. Erllll …“
    Mit einem Lallen brach Madame Zagorski zusammen.
    Schockartig löste sich der Kreis der Hände auf.
    Ich unterdrückte ein blasiertes Grinsen. Sie reagierten jedesmal gleich.
    Wieder knarrte eine Tür. Langsam und nervenreibend. Das Geräusch schien im ganzen Haus zu stehen. Kein Wunder, denn es kam von einer sündteueren 8-Spur-Nakamichi mit High Com Rauschunterdrückung. Das Beste vom Besten, damit der Sound stimmte.
    Dann schwebte ein geisterhafter Klang durchs Haus, der einem die Nackenhaare aufstellte, undefinierbar, leise und eindringlich und furchteinflößend, ein Klang wie aus Fieberträumen auf dem Sterbebett, ein Klang, der aus Aberglauben Realität machte.
    Ich wußte, was es war. Ein elektronisches Rauschen, vermischt mit sich langsam beschleunigenden Herztönen, fast an der Hörbarkeitsschwelle, dazu ein Mädchenchor, den man durch Hallräume und
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