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Geliebte Gefangene

Geliebte Gefangene

Titel: Geliebte Gefangene
Autoren: NICOLA CORNICK
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richtig, meine Kleine, und genau, wie es sein soll.“ Sorgfältig steckte sie einen Silberreif in Annes Haar fest. „Aber ich habe an die Hochzeitsnacht gedacht.“
    Anne schaute auf. Sie erinnerte sich an Simon Grevilles dunkle Augen und fühlte wieder diesen Schauer.
    „Ich habe nachgedacht“, fuhr Edwina fort. „Du hast keine Mutter, mit der du reden kannst. Also werde ich diese Rolle übernehmen.“ Sie winkte Muna heran. „Komm näher, meine Kleine. Du musst auch zuhören, denn du wirst sicher ebenfalls bald verheiratet werden.“
    Anne seufzte. „Muss das wirklich sein, Edwina? Vermutlich wird das, was du uns erzählen wirst, sehr peinlich für Muna und mich sein.“
    Ihre Cousine kicherte nervös. „Madam Elizabeth aus dem Dorf hat mir gesagt, dass ich nur die Augen schließen und mich ganz ruhig verhalten soll, egal, was mein Ehemann mit mir macht. Dann wäre ich auf jeden Fall eine gute Ehefrau.“
    „Der Herr sei uns gnädig“, warf Anne trocken ein. „Ich finde, das hört sich nicht besonders erhebend an, Muna.“
    Edwina stemmte die Hände in die Hüften und schnaubte verärgert durch die Nase. „Damit scherzt man nicht, Mylady. Die Forderungen eines Ehemanns können durchaus ein Schock für eine Dame sein. Mein Gatte hat seine eheliche Pflicht bald fünf Mal die Nacht erfüllt.“
    Entsetzt schlug Muna die Hände vor den Mund. „Fünf Mal! Jede Nacht?“
    „Ich habe gehört, dass er ein sehr munterer Mann war“, sagte Anne mit einem Lächeln. „Allerdings bin mir nicht sicher, ob man dich bemitleiden oder dir gratulieren soll, Edwina. Konntest du überhaupt je schlafen?“
    „Ihr nehmt all das überhaupt nicht ernst“, grollte die Dienerin. „Nun gut. Aber wenn ihr in der Hochzeitsnacht einen Schock erleidet, kommt nachher nicht zu mir, um euch zu beschweren!“
    „Ich verspreche, ich werde mich nicht beschweren“, entgegnete Anne. „Und wenn es euch nichts ausmacht“, fügte sie mit fester Stimme hinzu, „würde ich jetzt gerne noch einige Zeit allein sein, bevor das Fest beginnt.“
    Muna und die anderen jungen Frauen protestierten, aber Edwina scheuchte sie vor sich her aus dem Gemach und schloss die Tür. Endlich war es still im Zimmer, und Anne sank mit einem erleichterten Seufzer auf den Fenstersitz. In ihrem Leben gab es nur wenig Muße. Seit dem Tod ihrer Mutter lag die Führung des Haushalts in ihren Händen. Irgendjemand oder irgendetwas verlangte immer ihre Aufmerksamkeit, seien es die Frauen und Mägde des Hauses, die sie ständig umschwirrten, oder die Dorfbewohner, die mit ihren Problemen und Sorgen zu ihr kamen, wohl wissend, dass sie die Bittgesuche in ihrer sanften und klugen Art an ihren Vater weitergeben würde. Sie liebte die Menschen von Grafton und wusste, dass diese Liebe erwidert wurde. Ihr ganzes Leben hatte sie hier verbracht. Sie wusste auch, dass der Earl of Grafton ihr mit dieser Verlobung eine sichere Zukunft schenken wollte. Seine Gesundheit war nicht mehr die beste, und Grafton, genau wie seine Herrin, brauchte einen starken Herrn, der beides beschützte.
    Anne spürte, dass Tränen in ihr aufstiegen. Sie schluckte schwer und versuchte, nicht mehr an die zunehmende Gebrechlichkeit ihres Vaters zu denken. Es war heiß in ihrem Zimmer, und sie fühlte sich beengt. Plötzlich schien es ihr unerträglich zu warten, bis man sie zum Verlobungsbankett rufen würde. Im Garten würde die Luft frischer sein.
    Sie eilte an der Küche vorbei und hörte den Koch mit den Küchenjungen schimpfen. Alle schienen darauf bedacht, das prunkvollste Bankett auszurichten, das Grafton je gesehen hatte. Die Dorfbewohner kamen schon in der großen Scheune zusammen, in der sonst der Zehnte eingelagert wurde, um ebenfalls an dem Festmahl teilzuhaben. Aber keiner von ihnen bemerkte Anne, die durch die Tür in der Gartenmauer schlüpfte und langsam zwischen den geometrisch angelegten Beeten hindurch bis zu der Sonnenuhr in ihrem Zentrum wanderte. Die Schatten wurden schon länger, und der Duft des Lavendels hing in der Luft. Ihre Finger glitten über die glatte Oberfläche der Sonnenuhr. In ihrer Erinnerung schien immer die Sonne.
    „Lady Anne.“
    Anne zuckte zusammen und verbiss sich einen kleinen Schreckensschrei. Sie hatte den Mann, der im Schatten des Durchgangs gestanden hatte, bisher nicht bemerkt. Jetzt trat er heraus und kam auf sie zu. Der Kies knirschte unter seinen Füßen. Dann stand er vor ihr.
    „Ich bitte um Verzeihung“, sagte Simon Greville. „Ich wollte
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