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Geld im Mittelalter

Geld im Mittelalter

Titel: Geld im Mittelalter
Autoren: Jacques Le Golf
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Jesu. Sie zeigt Judas, als er die 30 Silberstücke erhält, für die er seinen Meister an diejenigen verraten hat, die ihn kreuzigen werden. Im Hortus Deliciarum, einer berühmten, reich illustrierten Handschrift aus dem 12. Jahrhundert, ist das Blatt mit der Darstellung des Judas, dem das Geld für seinen Verrat ausgehändigt wird, mit folgendem Kommentar versehen: »Judas gehört der übelsten Sorte Händler an, den Wucherern, die Jesus aus dem Tempel verjagte, denn sie setzen ihre Hoffnung in Reichtümer und wollen, dass das Geld siegt, herrscht, gefügig macht, und das ist ein Plagiat der Lobpreisungen zur Feier des Reiches Jesu Christi auf Erden.«
    Das wichtigste Symbol für Geld in den bildlichen Darstellungen des Mittelalters ist der Geldsäckel, der einem reichen Mann um den Hals hängt und diesen in die Hölle hinabzieht. Diese mit Münzen gefüllte, fatale Geldbörse ist auf augenfälligen Skulpturen, Tympana und Kapitellen von Kirchen dargestellt. Und natürlich finden wir sie in der Hölle von Dantes Göttlicher Komödie wieder: 6
    So ging ich noch einmal zum letzten Saume
    Von jenem siebten Kreise ganz alleine
    Dorthin, wo die betrübten Seelen saßen.
    Aus ihren Augen brachen ihre Schmerzen.
    Sie kämpften überall mit ihren Händen
    Bald mit dem Dampf, bald mit dem heißen Sande.
    Nicht anders tun zur Sommerzeit die Hunde,
    Die sich mit Schnauze oder Pfote wehren
    Vor Flöhen, Mücken oder Bremsenstichen.
    Als ich in einige Gesichter blickte,
    Auf die das schmerzenvolle Feuer regnet,
    Erkannt ich keinen, doch ich konnte sehen,
    Ein jeder trug am Halse einen Beutel
    Mit eignem Zeichen und mit eigner Farbe,
    Und dieser schien ihm eine Augenweide.
    Und als ich forschend unter sie getreten,
    Da sah ich Blau auf einem gelben Beutel,
    Das trug Gesicht und Haltung eines Löwen.
    Dann, als ich weiter mit den Blicken schweifte,
    Da sah ich einen andern, blutig roten,
    Der zeigte eine Gans so weiß wie Butter.
    Und einer, der mit einer dicken blauen
    Sau seinen weißen Sack bezeichnet hatte,
    Der sagte: »Was willst du in diesem Graben?
    Scher dich hinweg, und weil du noch am Leben,
    So wisse, dass mein Nachbar Vitaliano
    Hier sitzen wird zu meiner linken Seite.
    Bei Florentinern sitz ich Paduaner,
    Und oft betäuben sie mir meine Ohren
    Mit dem Geschrei: ›Der größte Herr soll kommen
    Und seine Tasche mit drei Böcken bringen!‹«
    Dann zog er schief das Maul und streckt’ die Zunge
    Heraus, wie Ochsen, die die Nase lecken.
    Aus Furcht, ich könnte durch Verweilen kränken
    Den, der zuvor zur Kürze mich ermahnte,
    Kehrt’ ich zurück von jenen müden Seelen.

1
Das Vermächtnis des Römischen Reiches und der Christianisierung
    D as Römische Reich vermachte dem Christentum eine bescheidene, aber ihre Spuren hinterlassende Münztätigkeit, die vom 4. bis zum 7. Jahrhundert durch einen stetigen Rückgang gekennzeichnet war. In einem ebenso berühmten wie umstrittenen Aufsatz hat der bedeutende belgische Historiker Henri Pirenne (1862–1935) die These vertreten, das Aufkommen des Islam im 7. Jahrhundert und die muslimische Eroberung Nordafrikas und Spaniens hätten dem Handel im Mittelmeerraum und den Wirtschaftsbeziehungen zwischen Okzident und Orient ein Ende gesetzt. Indes, auch ohne die Übertreibungen der Gegenthese zu übernehmen, die von Maurice Lombard († 1964) formuliert wurde, der in der muslimischen Eroberung im Gegenteil einen Anreiz zur Erneuerung des Handels gesehen hat, muss man zugeben, dass der Warenverkehr zwischen dem lateinischen Westen und dem griechischen und besonders dem islamischen Osten nie ganz zum Erliegen gekommen ist. Der Osten leistete immer noch einen Teil der Bezahlung von Rohstoffen – besonders Holz, Eisen, Sklaven, die ihm der von Barbaren beherrschte, christianisierte Westen weiterhin lieferte – in Gold. Tatsache ist, dass im Westen allein durch den Fernhandel mit dem Orient ein gewisser Goldumlauf aufrechterhalten wurde: in Form von byzantinischen Münzen (Nomisma, im Westen Besant genannt) und islamischen Geldstücken (Dinar aus Gold und Dirham aus Silber). In begrenztem Umfang kamen die Herrscher des lateinischen Westens – bis zum Ende des Weströmischen Reiches die dortigen Kaiser und dann die Barbarenfürsten, die zu christlichen Königen und großen Grundherren geworden waren – so also zu einem gewissen Reichtum.
    Der Niedergang der Städte und des Fernhandels führte zu einer Zersplitterung des lateinischen Westens, wo hauptsächlich die Besitzer
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