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Geld im Mittelalter

Geld im Mittelalter

Titel: Geld im Mittelalter
Autoren: Jacques Le Golf
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und schließlich im November und Dezember die Sankt-Remigius-Messe ein zweites Mal in Troyes. Die Grafen der Champagne, auf deren Domänen diese Messen stattfanden, kontrollierten die Rechtmäßigkeit und Redlichkeit des Handels und bürgten für die Geld- und Warengeschäfte. Spezielle Amtsträger wurden eingesetzt, die Messewachen. Bis 1284, als die französischen Könige Herren der Champagne wurden, betraute man damit häufig Bürger, später waren es königliche Beamte. Die Kontrolle der finanziellen Transaktionen durch die Obrigkeit und der dadurch halb öffentliche Charakter der Geldwechseltätigkeit trugen dazu bei, dass den Messen eine wichtige Rolle als Vorstadium zu den Clearinggesellschaften zukam. Die Gewohnheit, Schulden mittels Verrechnung zu regeln, und die wachsende Bedeutung der Wechselgeschäfte stärkte die Rolle der Messen allgemein und der Champagne-Messen im Besonderen im ökonomischen und sozialen Leben der mittelalterlichen Gesellschaft. Sie waren zwar in erster Linie eine Quelle des Reichtums für die Fernhändler, zugleich aber auch ein bedeutender Katalysator für den Umgang mit Geld.
    Der Aufschwung der Städte
    Die zweite Ursache für die Entwicklung des Geldumlaufs war der Aufschwung der Städte. Selbstverständlich war im ländlichen Milieu der Geldgebrauch nicht gänzlich unbekannt. Denn mehr und mehr ließen sich die Grundherren im Rahmen der Feudalwirtschaft die Abgaben der Bauern nicht mehr in Form von Felderträgen oder Frondiensten entrichten, sondern in klingender Münze bezahlen, wodurch der Anteil des Geldes an den Abgaben stetig zunahm.
    Wenn es also schon im Rahmen der ländlichen Ökonomie unangemessen erscheint, von »Naturalwirtschaft« zu sprechen, dann gilt das umso mehr für das städtische Umfeld. Die Entwicklung des Handwerks, die den Kauf von Rohstoffen und den Verkauf von Gewerbeerzeugnissen ankurbelte, aber auch der wachsende Rückgriff auf eine Arbeiterschaft, wie Bronisław Geremek dies für Paris ab dem 13. Jahrhundert nachgewiesen hat, führten zu vermehrtem Geldgebrauch in den Städten. Der steigende Lebensstandard der Stadtbevölkerungen hatte ein neues soziales Gefälle zur Folge, diesmal zwischen reichen Bürgern und armen Leuten. Die Kreuzzüge, die den Handel mit dem Orient kaum belebten, verschlangen einen Großteil des Vermögens der Herrscher, was deren Bedeutung gegenüber dem reicher werdenden Bürgertum schrumpfen ließ. Die großartige Epoche des Dombaus, vor allem gotischer Kathedralen im 12. und 13. Jahrhundert, die im Bilderbogen von Épinal als das Resultat einer Gott geschenkten, freiwilligen Arbeit dargestellt sind, brachte in Wirklichkeit eine schwere finanzielle Belastung für die Kirche und die Städte, deren eigene Vermögensbildung dadurch verzögert wurde, wie wir sehen werden. Der These von Roberto S. Lopez, wonach »das eine das andere tötete«, also der Dombau die Expansion der Geldwirtschaft verhinderte, kann ich allerdings nicht zustimmen. Zunächst kam zum Dombau die Errichtung zahlreicher Kirchen und Burgen aus Stein hinzu – im Unterschied zu den Stadthäusern, die fast immer Holzbauten waren –, was entgegen der Annahme von Lopez die Geldwirtschaft nicht abwürgte, sondern in hohem Maße beflügelte. Die Stadtmärkte erfuhren eine deutliche Steigerung ihrer – zunehmend alltäglichen – Aktivitäten. Das machte an diesen Handelsplätzen, wo Münzgeld Verwendung fand, den Bau von Hallen erforderlich, die heute noch beeindruckend sind. In Paris zeugen große Bauvorhaben unter Philipp II. August (1180–1223) wie die Stadtmauer und die Großmarkthallen (Les Halles) von diesem Aufblühen der Geldwirtschaft.
    Durch Freibriefe wurden die Städte von der Last der Abgaben an die Grundherren befreit, die eine wirtschaftliche Entwicklung und die Verbreitung des Geldes behinderten. Geld war das Bindemittel der neu gegründeten Zusammenschlüsse: Gilden in den Städten und Hansen zwischen prosperierenden, Handel treibenden Städten. So erlebten bestimmte Regionen der Christenheit eine Entwicklung ihrer Städte und des Handels, die sie reicher, stärker und glanzvoller machte als andere Regionen, in denen das Wachstum schwächer und weniger Geld in Umlauf war.
    Das waren im Wesentlichen zwei Regionen. Die eine umfasste den Norden und Nordosten Europas und erstreckte sich von Flandern bis zum Baltikum. Die Städte dieser Region verdankten ihren Reichtum zunächst dem Tuchexport, dann wuchs und diversifizierte sich auch ihre
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