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Gekehrte Straßen oder einfach nur darauf gespuckt (German Edition)

Gekehrte Straßen oder einfach nur darauf gespuckt (German Edition)

Titel: Gekehrte Straßen oder einfach nur darauf gespuckt (German Edition)
Autoren: Svetlana Sekulic
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jeher, aber die Melodie von damals will mir nicht
mehr einfallen. Die Zeit bleibt nicht stehen, warum hätte sie
auch gewollt. Das der Mensch so einfältig nur denken kann.

    Ich
bin nach draußen gelaufen, um diesen rutschigen Weg zu
bestreiten. Ich bin der Kälte und dem Nass gefolgt, weit weg von
meiner kleinen Insel und hinaus auf das weite Meer. Ich habe mich in
der großen Stadt nach ihm erkundigt, ich habe ihn gesucht und
auch gefunden. Ich habe Mutter nichts davon erzählt. Ich wollte
das mit mir selbst ausmachen. Wahrscheinlich wollte ich alleine nur
mit der Enttäuschung fertig werden und keinen Trost bei Mutter
anschließend suchen und auch bekommen. Aber irgendwie scheint
mir Mutter in letzter Zeit sehr merkwürdig. Als ob sie etwas
ahnen würde. Viel zu oft nimmt sie seinen Namen in den Mund und
redet von vergangenen Zeiten. Jetzt, für den Moment bin ich bei
ihm. Ich bin bei Vater angekommen. Nach vielen etlichen Jahren und
sehe ihn nun dastehen. Und das ohne Regenschirm. Ein großer,
dicker Mann. Mein Vater. In schwarz gekleidet. Ein schwarzer Mann.
Ich beobachte ihn, um Geheimnisse von ihm zu entdecken, aber ich
entdecke nichts hinter dem Gebüsch, denn er steht kerzengerade
da. Er wartet. Ich warte mit ihm und ich weiß nur, dass ich
meine kleine Ziehharmonika eines Tages für immer weggeschmissen
habe. Ich denke, dass war der Zeitpunkt, wo ich begann mir das
Schwimmen beizubringen und sicher auf den Straßen zu wandern.
So habe ich nie wieder darauf gespielt und nicht mehr versucht den
Duft seiner Bettdecke einzuatmen, nachdem ich damals vor der Tür
stand und er dahinter. Eines Tages sah ich ihn nicht mehr, denn er
war verschwunden. Er war hinter der Tür für immer
verschwunden. Und er blieb bis zum heutigen Zeitpunkt verschwunden
und nicht mehr greifbar für mich. Ich ging damals als kleiner
Junge in sein Schlafzimmer und nahm die Bettdecke, die auf der linken
Seite des Doppelbettes lag, trug sie in mein Zimmer und legte meine
Kinderdecke auf sein Bett, auf seine linke Seite. Ich denke, Mutter
musste diesen Austausch bemerkt haben, da ich weiße Schäfchen
auf blauem Hintergrund hatte und seine Decke eine ganz andere war.
Sie ließ mich gewähren. Vielleicht war sie auch froh,
plötzlich weiße Schäfchen neben sich liegen zu haben.
Das ging solange gut, bis dass ich eines Tages nach der Schule in
mein Zimmer ging und feststellte, dass Mutter die Decken abgezogen
hatte, da es Zeit für die Entfernung seines Geruches war. Ab dem
Moment wusste ich nie mehr wieder in meinem Leben, wie mein Vater
gerochen hatte. Sicherlich hatte ich ihn verloren, aber nun auch für
immer seinen Duft aus meiner Nase und die Erinnerung daran aus meinem
naiven Kopf.

    Er
dreht sich und er trägt eine Brille. Ich erkenne seine
Augenfarbe nicht und nicht sein Inneres. Er dreht sich weiter. Ich
sehe, dass er lange graue Haare hat, die zusammen gebunden sind. Er
scharrt nicht mit dem Fuß, er ist auch kein Pferd. Er hat sich
versteift oder aber er friert innerlich, da er durchnässt ist.
Ich habe es auch nicht eilig. Jahre von damals sind wie in einem
lässigen Augenblick verflogen. Ich habe die Zeit eingeholt, aber
fange an selbst unruhig zu werden. Ich bin auch noch ein Fohlen. Ich
gehe auf ihn zu und denke noch, wie kann ein Mensch nur so fett sein
und je näher ich auf ihn zugehe, umso kleiner komme ich mir vor.
`Hallo Vater´. Ich wollte noch dabei lächeln, bemerke aber
in Sekundenschnelle, dass er zu keinem Lächeln fähig ist.
Dafür umarmt er mich und drückt mich sehr fest. Seltsam,
ich hätte lieber Worte und Mimik gewählt, wenn ich hätte
wählen dürfen. Wir laufen weiter. Wir beide gehen in
dieselbe Richtung und das war auch gut so. So hatten wir beide was zu
tun und mussten nicht fröstelnd und unruhig uns gegenüber
stehen .
    Wir
nehmen in einem Café Platz. Ich nehme die Getränkekarte
in die Hand, weil er nichts macht. Ich lege die Karte wieder zurück
und beobachte ihn, wie er sich die Karte nimmt und darin liest. Was
wohl in ihm vorgehen mag und zu welchen Gedanken er bereit ist. Ich
denke, dass ich das nicht weiß und nicht fähig sein werde,
das jemals zu wissen. Er bestellt für sich und ich warte und ich
bestelle mir dann eine Limonade. Egozentriker sind Menschen, die es
nicht gelernt haben zu teilen und nur sich selbst wahrnehmen können;
dies auch so handhaben und nur selbst sich versorgen. Vielleicht
hängt es tatsächlich mit einem ausgeprägten
Selbsterhaltungstrieb zusammen, der bei ihm
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