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Geisterstunde

Geisterstunde

Titel: Geisterstunde
Autoren: Glen Cook
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des alten Generals wurde es noch viel schlimmer.« Sie blickte mich an. Sie hatte Tränen in den Augen. So groß wie Lercheneier. »Ich schwöre es, ich hätte nie geglaubt, daß er sie umgebracht hat. Ich glaubte es nicht, obwohl es da Gerüchte gab. Hätte ich es damals schon gewußt, hätte ich ihm Finger und Zehen und Arme und Beine ausgerissen, wie einem Huhn, das ich rupfe. Wie konnte er das nur tun?«
    »Ich weiß nicht, Kelle. Aber ich werde ihn fragen, verlaß dich drauf.« Ich blickte Doom an.
    »Wollt Ihr ihn zur Rede stellen?« erkundigte er sich.
    »Allerdings will ich das.« Ich grinste wie ein Werwolf. »Er hat mich engagiert, die Wahrheit über seine Probleme herauszufinden, ganz gleich, wie unangenehm sie auch für ihn sein mochte. Ich werde ihm einen schönen, endgültigen Schlaganfall verschaffen.«
    »Immer locker bleiben«, riet Morpheus. »Reg dich nicht so sehr auf, daß du nicht mehr klar denken kannst.«
    Guter Tip. Ich bin dafür bekannt, daß ich wie ein kopfloses Küken herumrase, wenn ich aufgeregt bin, und mir selbst mehr Schaden zufüge als den Bösewichtern. »Ich habe alles im Griff.« Ich sah Jennifer an. Sie hatte sich langsam erholt, während Kelle ihre Geschichte erzählte. Dennoch wirkte sie noch etwas benommen, als sie auf das Porträt ihrer Mutter starrte. Sie war erstaunt und verwirrt. »Das ist meine Mutter«, murmelte sie. »Das ist die Frau im Schlafzimmer meines Vaters.«
    Ich sah Peters an. »Warum haben Sie mir das gestern abend nicht gesagt?«
    »Ich habe es nicht geglaubt. Ich hab es zwar vermutet, aber dieses Gemälde sieht ganz anders aus als das beim General. Ich dachte, ich müßte mich irren. Glaubte, es war nur ein Zufall. Schleicher hat sie jedenfalls nie zu Gesicht bekommen.«
    »Das ist nicht wahr«, widersprach Kelle.
    »Genau«, sagte ich. »Er stammte doch von hier, oder? Das hätte mir einfallen müssen. Wußte er alles über sie?«
    Kelle schüttelte den Kopf. »Er ist selbst damals schon nie ins Haus gekommen. Und sie hat nie einen Fuß vor die Tür gesetzt. Aber er hat sie aus der Entfernung gesehen.«
    Peters schüttelte den Kopf. »Ich konnte es einfach nicht glauben.«
    Ich erinnerte mich daran, wie er und Kaid miteinander diskutiert hatten, nachdem Morpheus und ich gegangen waren. Jetzt wußte ich warum. Sie hatten versucht, Klarheit zu gewinnen. »Was unternehmen wir nun gegen den Geist, Doktor?« Im Augenblick war ich auf ihrer Seite, ganz gleich, was sie Jennifer angetan hatte.
    Das war nicht schwer nachzuvollziehen. Gestern abend hatte sie noch Ehebruch zu den Strafen hinzugefügt, mit denen sie Stantnor heimsuchte, und zwar zwanzig Jahre, nachdem er sie dafür vorverurteilt hatte. Dann hatten Jennifer und ich … Aber warum hielt sie Jennifer nicht für mein Opfer, so wie sie Stantnors gewesen war? War da mehr, als ich wußte? Vermutlich könnte Doom es mir erklären, aber den konnte ich im Augenblick nicht vor allen Anwesenden fragen.
    Ich zuckte mit den Schultern. Es konnte einen in den Wahnsinn treiben, wenn man versuchte, Motive zu entschlüsseln. In meinem Job hält man sich besser an die Resultate. Die sind klarer.
    »Sie muß zur Ruhe kommen. Ihr Aufenthalt hier und ihr Herumwandern … Das ist viel grausamer. Noch mehr unverdiente Bestrafung. Sie braucht ihren Frieden.« Er hielt inne, weil er anscheinend einen Kommentar erwartete. Als keiner kam, fuhr er fort. »Ich habe nicht das Recht zu urteilen. Vermutlich hat der Mann, der sie ermordete, verdient, was ihm widerfahren ist, und noch mehr. Aber meine eigenen Grundsätze lassen es nicht zu, daß er weiter gequält wird.«
    Trotz seiner Clownshow schien er doch ein ganz patenter Bursche zu sein. Das ist zufällig ein Grundsatz, dem auch ich folge.
    Meistens.
    Aber ich bin dafür berüchtigt, daß ich manchmal in eine Sache verwickelt werde und unausweichlich über mein hausgemachtes Gerechtigkeitsempfinden stolpere. »Dem stimme ich zu. Im großen und ganzen. Was nun?«
    Dooms Visage wurde nicht hübscher, als er lächelte. »Ich werde dem Geist einen Zwang auferlegen, der ihn daran hindert, den Lebenden noch mehr Substanz abzusaugen. Der General wird sich sofort erholen. Sobald er wieder etwas zu Kräften gekommen ist – das ist natürlich nur ein Vorschlag –, würde ich sie beschwören und die beiden miteinander konfrontieren. Eine direkte Gegenüberstellung wird sie eher dazu bringen, sich zur Ruhe zu begeben, denke ich. Und ich habe das Gefühl, daß es sehr schwierig sein
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