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Geisterstadt

Geisterstadt

Titel: Geisterstadt
Autoren: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer
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über das Rosenspalier in die Villa eingedrungen. Sie hatte die Entführung wochenlang geplant. Fälschlich war sie nämlich der Meinung gewesen, Oames halte sich ganz allein auf seinem Anwesen auf. »Aber ihr habt auch nicht weiter gestört«, meinte sie leichthin und erntete dafür einen tadelnden Blick von Bob.
    Kaltblütig, so ihre eigene Wortwahl, hatte sie Oames betäubt und mit einem Freund, den sie von innen in die Villa ließ, aus dem Haus transportiert. Nach gut einer Viertelstunde war die ganze Aktion beendet gewesen.
    Der Erste Detektiv sah verstohlen zu Oames hinüber, der der Schilderung entspannt und emotionslos folgte. Doch irgendwie schrullig, dachte Justus.
    »Und wozu das Ganze?« Peter merkte selbst, wie mürrisch seine Stimme klang. Er fühlte sich gefoppt. Höchste Zeit, dachte er, dass die beiden sich für die ganze Mühe entschuldigen, die sie uns gemacht haben. Eigentlich haben wir nämlich Ferien.
    Deborah wirkte zum ersten Mal, seit sie die Jungs ins Haus gelassen hatte, etwas unsicher. Mit einem verunglückten Lächeln schaute sie zu Oames. Der half ihr unverzüglich aus der Verlegenheit.
    »Die junge Dame hat mich gehasst«, sagte er. Es sollte ironisch klingen, was aber nicht ganz gelang. Deborah hatte sich wieder gefangen und nickte streng. »Ich hielt ihn für einen Betrüger, der durch meine Spielideen mindestens zwei Millionen Dollar verdient hat.«
    »Das wissen wir.« Bob wurde ungeduldig. »Aber wieso sitzen Sie hier wie … wie …« Er suchte vergeblich nach dem richtigen Wort.
    »Wie alte Bekannte«, ergänzte Oames. Offenbar besaß er großes Geschick darin, immer zur Stelle zu sein, wenn man ihn brauchte. »Ganz einfach. Ich bin nämlich gar kein Betrüger.« Er nahm einen langen Schluck und holte dann tief Luft. »Ich bin darauf gestoßen, dass in meinem Unternehmen gewisse Unregelmäßigkeiten vorkommen. Deshalb wollte ich mich mit Deborah treffen.« Mit einem Mal sah er traurig aus. »Ihr sind tatsächlich Ideen gestohlen worden. An den Einnahmen für ›Labyrinth ohne Ausweg‹ und für ›Spuren im Schnee‹ hätte sie beteiligt werden müssen. Mein Sohn hätte die Lizenzen für Europa nicht ohne ihre Zustimmung und entsprechendes Honorar für sie vergeben dürfen.«
    »Na gut«, fuhr Justus etwas ungestüm dazwischen. »Aber deswegen entführt man doch niemanden! Wissen Sie nicht, dass das ein schweres Verbrechen ist? Und dann auch noch die Drohung, die Ohren abzuschneiden!«
    »Wie bitte?« Deborahs Sicherheit war mit einem Schlag verschwunden.
    Justus wiederholte seinen Vorwurf. Deborah öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, aber ein mächtiges Splittern ließ ihr keine Zeit mehr.
    »Schluss mit der Märchenstunde«, befahl eine dröhnende Stimme. Sie gehörte einem Mann, der mit zwei großen Sätzen in die Mitte des Raums sprang. Ein zweiter kam in derselben Sekunde nach und pflanzte sich an der Tür auf. Beide hatten Gerätschaften in der Hand, die in Gaunerkreisen nur allzu gut bekannt waren. Und die kamen unverzüglich zum Einsatz.

Gefangen im Keller
    Wenn wir nur daran gedacht hätten, diese blöde Kette vorzulegen. Zum x-ten Mal ging Justus dieser Satz durch den Kopf. Wieder versuchte er, mit den Fingerspitzen den Strick zu fassen. Wieder ohne Erfolg. Gefesselt und geknebelt lag er, wie die anderen vier, in dem fensterlosen, völlig dunklen Heizungskeller, der die drei ??? auf Deborahs Spur gebracht hatte. Wenn Bob nur draußen geblieben wäre, quälte sich Justus mit einem anderen Wenn-Satz fruchtlos herum. Von irgendwoher hörte er leises Stöhnen.
    Wenigstens hatten die Männer ihre Absicht, Oames mitzunehmen, im letzten Moment aufgegeben. »Der Kerl bleibt hier!«, hatte der eine verkündet, als ihn der andere aus dem Raum bugsieren wollte. Also lag jetzt auch der Spieleerfinder im Keller auf dem Bauch – verschnürt wie ein Paket und wie alle anderen unfähig, sich zu bewegen. Besser, dachte Justus, als dass diese Burschen ihn an einem einsamen Ort womöglich umgebracht hätten. Er versuchte sich zu konzentrieren. Wann würde Tante Mathilda anfangen, nach ihnen zu suchen? Sicherlich nicht vor Einbruch der Dunkelheit.
    Jetzt hörte er sich selbst aufstöhnen. Etwas wurde über den Boden geschleift. Oder bildete er sich die Geräusche nur ein? Die Schmerzen im Rücken wurden immer heftiger. Es war ziemlich warm, trotzdem hatte er das Gefühl, seine Arme und Beine seien längst eiskalt. Er verdrängte den Gedanken daran, wie er sich wohl in fünf, sechs
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