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Geisterstadt

Geisterstadt

Titel: Geisterstadt
Autoren: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer
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Stunden fühlen würde. Stattdessen versuchte er sich abzulenken, indem er wieder seine Theorie durchging: Es war also nicht Deborah, die damit gedroht hatte, dem Spieleerfinder ein Ohr abzuschneiden. Ihre Überraschung war nicht gespielt gewesen. Folglich mussten Trittbrettfahrer am Werk sein, und zwar solche, die ziemlich brutal vorgingen, wie sich eben erst gezeigt hatte.
    Wenn Oames aber gar nicht mehr ausgetauscht werden konnte, wer wollte sich dann die 2,5 Millionen Dollar unter den Nagel reißen? Doch die Familie? Wieder gab es dieses schleifende Geräusch. Justus hob den Kopf und lauschte ins Dunkel. Ob es Peter gelang, an sein Messer zu kommen?
    Der Zweite Detektiv konnte an nichts anderes denken als an dieses Messer. Er hatte es vor einigen Wochen eher spaßeshalber in seinen Stiefelschaft gesteckt. Als Justus und Bob ihn damit aufgezogen hatten, war er stur geworden. Seither trug er den Holzgriff mit der gut 15 Zentimeter langen Klinge in einer Lederscheide immer bei sich. Aber alle Versuche, daranzukommen, hatte er schon aufgegeben. Von seinen gefesselten Fußknöcheln, hinter dem Rücken durch einen Strick mit den überkreuzten Armen verbunden, waren seine Hände viel zu weit weg. Außerdem schnitt mit jedem Zentimeter, den er Hände und Füße zusammenbrachte, der Strick noch mehr ins Fleisch.
    Hinter ihm stöhnte es leise. Peter wusste nicht, wer dort lag. Ihn hatten sie als Ersten in den Keller geschleppt. Dieses boshafte »Macht’s gut!« klang ihm noch in den Ohren, mit dem der kleinere der Männer sich schließlich verabschiedet hatte. Bevor sie verschwanden und von außen die Tür verriegelten, hatte er noch seinen Schuh ausgezogen und mit dem Absatz blitzschnell die Glühbirne zertrümmert, die von der Decke baumelte.
    »Licht? Braucht ihr sowieso nicht mehr«, lautete sein höhnischer Kommentar.
    Justus war nicht sicher, ob er überhaupt wissen wollte, was dieses Schleifen zu bedeuten hatte. Er hasste es, sich falsche Hoffnungen zu machen. Ausnahmsweise zog er es vor, im Ungewissen zu bleiben. Aber die Geräusche neben ihm nahmen kein Ende, und je länger sie dauerten, umso zuversichtlicher wurde er.
    Plötzlich hörte er, wie ein Pflaster abgerissen wurde. »Ich hab’s geschafft!« Das war Deborahs Stimme. Sie klang wohltuend fest. Justus atmete tief durch und entspannte sich. Dann spürte er, wie sich jemand an seinen Fesseln zu schaffen machte. Keine drei Minuten später saßen Deborah und die drei ??? auf dem Kellerboden. Sie massierten Arme und Beine. Ab und zu war ein Ächzen zu hören, aus der Ecke, in der Oames auf dem Boden lag und Dehnungsübungen praktizierte.
    »Deborah? Darf man fragen, wie Sie das fertiggebracht haben?«, fragte Justus ins Dunkel. Er wäre ihr am liebsten um den Hals gefallen. Aber er wusste nicht genau, wo sie saß, und wollte nicht an den Falschen geraten.
    »Ganz einfach«, kam es aus der Finsternis zurück. »Ich bin in meiner Freizeit Artistin.«
    »Richtig!« Ihm fiel das Mädchen in Virginia City ein, das ihnen von Deborahs ungewöhnlichem Hobby erzählt hatte.
    »Hier hinter mir ist ein Surfbretthalter an der Wand montiert«, fuhr Deborah fort. »Ich hab’ mich eingerollt. Dadurch wurden die Fesseln an den Händen lockerer, und ich konnte das Ding dazwischenschieben. Das war unsere Rettung.«
    »Super«, warf Bob hastig ein, »aber ich glaube, wir sollten ziemlich schnell einen Plan machen.« Er wollte sich lieber nicht ausmalen, was passieren würde, wenn diese beiden Burschen zurückkehrten. Jedenfalls hatte er überhaupt keine Lust, sich in derselben Lage wiederzufinden, aus der er gerade erst befreit worden war.
    »Sehr richtig«, meldete sich Oames zu Wort. »Aber zuerst sollten wir uns noch gebührend bei Debby bedanken.«
    »Bedanken? Bei mir? Aber ohne mich wärt ihr alle doch gar nicht erst in diese Situation gekommen.«
    »Darüber reden wir später«, fiel Oames ihr ins Wort. Dann wechselte er selbst das Thema. »Wie war das mit dem Ohr?«
    In kurzen Zügen erzählte Justus, was seit Oames’ Verschwinden passiert war. Es fiel ihm nicht ganz leicht, Oames zu sagen, dass er dessen eigene Familie in Verdacht hatte, hinter diesen ganzen Machenschaften zu stecken. Zu Justus’ Überraschung nahm Oames das ziemlich gelassen auf, jedenfalls nach seiner ruhigen Stimme zu urteilen. »Wieso habt ihr überhaupt nach mir gesucht?«, fragte er schließlich.
    Bob verlor die Geduld. »Ich glaube, es ist jetzt nicht die Zeit fürs Geschichtenerzählen«,
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