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Geisterschiff Vallona

Titel: Geisterschiff Vallona
Autoren: dtv
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die Haustüre
     öffnete und sah, dass die Treppe über und über mit Schlamm bedeckt war. Und die Fußspuren im Schlamm führten fort vom Haus,
     zurück ins Moor.
    Der Kirchendiener aber nahm das frisch geputzte Silber, trug es zur Kirche und alle waren damit zufrieden, es wieder an seinem
     Platz zuwissen. So herrschten Friede und Freude. Bis der Graue kam. Und mit ihm – das Kind des Grauen.
    Bald war der ganze Ort von dichtem Nebel umgeben. Kein Laut war zu hören und die Menschen eilten nach Hause, als die Leuchttürme
     anfingen, ihre Signale auf das Meer hinauszusenden. Erst Tyska Grund, dann, nach einer Weile, Stavskär, Måsudde und Drakbankar.
     Und zuallerletzt tutete auch der Leuchtturm an der Hafeneinfahrt von Krabbsjögrund. Da wusste man, dass der Graue die Stadt
     erreicht hatte.
     
    Der Kirchendiener war noch in der Kirche geblieben. Er wollte nicht nach Hause gehen, wagte es nicht, denn sein Gewissen drückte
     ihn und fast kam es ihm vor, als wären der Graue und sein Kind gekommen, um ihn für sein furchtbares Geheimnis zu bestrafen.
     Da klopfte es laut an die Kirchentür.
    ›Wo ist mein Silber? Ich habe es mit meinem Leben bezahlt! Gib mir mein Silber!‹
    Schnell raffte der Kirchendiener den Kirchenschatz in seinen Beutel, aber noch ehe er ihn verstecken konnte, schlug die Kirchentür
     auf und der Nebel quoll hinein. Mit einem Schlag erloschen die Kerzen und ein Gestank von Sumpf und Morast breitete sich zwischen
     den weiß gekalktenWänden aus. In den Adern des Kirchendieners gefror das Blut zu Eis.
    Ganz hinten aus der Dunkelheit bewegte sich etwas auf ihn zu. Das Geräusch schwerer, schleppender Schritte hallte vom Steinboden
     wider.
    ›Wo ist mein Silber?‹
    Den Beutel voll Silber in der Hand, drängte sich der Kirchendiener an der Gestalt im Nebel vorbei und floh durch das Portal
     nach draußen. Jetzt wollte er nur noch nach Hause, in Sicherheit. Aber obwohl er den Weg zwischen der Kirche und seinem Zuhause
     wohl an die tausend Mal gegangen war, hatte er sich schon bald im Nebel verirrt.
    Er spürte Kies unter seinen Füßen, dennoch wusste er nicht, auf welchem Weg er sich befand. Schon schwappten Schlamm und Morast
     über den Schaft seiner Schuhe. Der Kirchendiener war ins Moor geraten.
    Er rettete sich auf ein Grasbüschel und versuchte in der Dunkelheit, über die kleinen Inseln aus festem Grund vorwärts zu
     springen, während in der Ferne die Signalhörner der Leuchttürme tuteten. Aber Dunkelheit und Nebel machten sein Vorhaben unmöglich
     und der Sumpf war tückisch. Mit einem nassen, gurgelnden Laut saugte sich sein Fuß fest, und als er versuchte,ihn wieder hinauszuziehen, blieb auch der zweite stecken. Zentimeter für Zentimeter sank er tiefer in den Morast.
    ›Hilfe!‹, schrie er. ›Kann mir denn niemand helfen?‹
    Jetzt sank er schneller. Schon war seine Taille unter der kalten Oberfläche und das schwarze Wasser bahnte sich seinen Weg
     durch die Kleider und zog ihn mit seinem Gewicht immer tiefer hinunter. Tränen traten ihm in die Augen.
    ›Gib mir das Silber, dann helfe ich dir‹, sagte da plötzlich eine Stimme im Nebel.
     
    Erst wollte der Kirchendiener vor Erleichterung laut lachen. Er war gerettet! Es war jemand da. Jemand, der ihm hinaus helfen
     würde. Aber da trat der Besitzer der Stimme aus dem Nebel hervor. Eine blasse, graue Gestalt, gekleidet in Schlamm und Moos.
     Es war der Fremde, den er im Moor hatte ertrinken lassen.
    ›Gib mir das Silber, dann helfe ich dir‹, sagte die Stimme wieder.
    Der Kirchendiener zögerte, dann reichte er ihm den Sack mit dem Kirchenschatz. Mit eiskalter Hand nahm ihn der Fremde entgegen.
     Aber statt dem in Not Geratenen aufzuhelfen, legte er ihm seine kalte Handfläche auf die Stirnund plötzlich war es, als hätte das Moor neue Kraft gesammelt. Es schloss sich um den Kirchendiener und schluckte ihn mit
     Haut und Haar. Schnell und lautlos.
    Er wollte schreien, aber kein Laut kam über seine Lippen. Das Moorwasser drang ihm in Mund und Nase. Er versuchte zu atmen,
     aber das Einzige, was seine Lungen füllte, war Morast.
     
    Mit einem Ruck erwachte der Kirchendiener. Er war zu Hause in seinem Bett, lag unter der warmen Decke neben seiner geliebten
     Frau und nicht tief unten im kalten Moor.
    Er weinte fast vor Erleichterung. Das alles war nichts als ein böser Traum gewesen.
    Das Silber stand noch immer frisch geputzt in der Küche und der Fremde lag tot und begraben draußen im Moor. Niemand war
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