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Geister-Canyon

Geister-Canyon

Titel: Geister-Canyon
Autoren: Ben Nevis
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erwähnte es mit Absicht nicht. Seine scharfe Beobachtungsgabe konnte auf andere auch unheimlich wirken. Aber innerlich entspannte er sich: Das waren bestimmt Touristen. So gut konnte niemand schauspielern.
    Â»Wir schauen uns die Nationalparks an. Morgen geht es weiter in den Antelope Park«, erzählte die Frau. »Willst du dich zu uns setzen? Es ist so ein traumhafter Platz hier … Wo kommst du denn her?«
    Â»Kalifornien«, murmelte Justus. »Großraum Los Angeles.«
    Der Mann strahlte und setzte sich auf. »Los Angeles! Wunderbar! Da wollen wir auf unserer Reise auch noch hin! Wohnst du direkt an der Küste?«
    Hoppla, da schien sich ein Gespräch zu entwickeln. Justus schluckte. Die erste Gefahr hatte sich zwar in Luft aufgelöst. Doch nun hatte er das nächste Problem: Wie sollte er die beiden von diesem Plateau wegbekommen, an dem sie sich augenscheinlich so richtig wohl fühlten? Genau dort, wo sie saßen, hatte der Erpresser auf dem Foto das Kreuz eingezeichnet. Justus sah auf die Uhr. Die Zeit drängte. Der Erpresser würde nicht lange tatenlos zusehen, wie er sich hier gemütlich mit zwei Touristen unterhielt.
    Â»Ich wohne so in der Nähe. In der Nähe der Küste.« Justus blieb im Allgemeinen, um nicht für neuen Gesprächsstoff zu sorgen.
    Â»Ah ja.« Eine Zeitlang sagte niemand etwas. Die beiden Europäer starrten abwechselnd in den Canyon und auf Justus.
    Â»Kannst du ein Foto von uns machen?«, fragte der Mann nach einer Weile.
    Â»Klar.« Wenn ihr dann endlich abhaut, dachte Justus. Er nahm die ihm angebotene Kamera und postierte die beiden genau vor den Abgrund.
    Â»Da wird einem ja schwindelig, so tief ist das«, sagte die Frau mit einem Blick nach hinten und legte den Arm um die Hüfte des Mannes.
    Justus versuchte es mit einem Scherz: »So, bitte noch ein Stück zurücktreten …«
    Die beiden lachten und Justus knipste.
    Â»Wollen wir mal weitergehen, Flora?«, fragte der Mann, als er die Kamera wieder verpackt hatte.
    Flora schüttelte den Kopf. »Wir haben doch Zeit, es ist so wunderschön … Schau, wie der Canyon im Sonnenlicht langsam die Farben verändert.«
    Justus biss die Zähne zusammen, um seine plötzlich hochschießende Nervosität zu kontrollieren. So ging das nicht weiter. Wie sollte er die beiden loswerden? Er konnte sie ja schlecht in den Canyon stoßen. Was also tun? Sie einfach bitten, wegzugehen? Aber mit welcher Begründung … Oder die Wahrheit sagen? Auf keinen Fall! Außerdem klang seine Geschichte absolut unglaubhaft. Blieb als Einziges … wegekeln? Ja, wegekeln. Das war die Idee! Anders wurde er die zwei Hübschen hier nicht los! So ungern er es tat, aber es musste sein.
    Justus setzte sich wieder. »Ich finde das hier wirklich cool«, verkündete er gedehnt und öffnete seine Sportschuhe. »Absolut scharf!« Mit dem Zeigefinger streifte er sich die durchgeschwitzten Socken ab und warf den ersten neben den Rucksack der Touristen. Mit dem zweiten traf er in die Öffnung. »Ihr habt ganz Recht: Ich werde noch etwas abhängen und mir den Anblick reinziehen!« Er versuchte, der Aussage im Unterton den Charakter einer Drohung zu geben. Ungefragt rollte er sich zur Seite und griff nach der Wasserflasche der Frau. Er nahm einen herzhaften Schluck und stieß hörbar auf. Trank noch mal. »Aaaah! Das tut gut!«, grunzte er und spuckte aus. Die beiden sahen ihn mit einer Mischung aus Erstaunen und Angewidertheit an. Die Verwandlung des netten Amerikaners in einen stillosen Flegel vollzog sich für sie vollkommen überraschend.
    Vom Erfolg angestachelt klopfte sich Justus auf seinen stattlichen Bauch. »Wissen Sie eigentlich, warum viele Amerikaner so fett sind?«, fragte er. »Ihr Europäer findet uns doch fett, oder?«
    Â»Ã„h«, sagte der Mann.
    Â»Sie halten mich doch für einen richtig fetten Amerikaner, oder?«
    Â»Nun …«, sagte der Mann.
    Â»Es hängt an den Hamburgern«, verkündete Justus. »An den Hamburgern, dem Ketchup, der Mayo und natürlich auch am Autofahren. Und an der Cola. Cola macht fett«, sagte Justus. »So richtig voll fett! Und man muss davon rülpsen!«
    Die beiden wechselten einen schnellen Blick.
    Justus unterlegte seine Aussage entsprechend.
    Â»Benjamin …«, sagte die Frau drängend.
    Justus grinste die beiden frech an, aber innerlich kam
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