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Geist und Kosmos: Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist (German Edition)

Geist und Kosmos: Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist (German Edition)

Titel: Geist und Kosmos: Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist (German Edition)
Autoren: Thomas Nagel
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nämlich – alles, was existiert, und alles, was geschieht, lässt sich im Prinzip mit den Gesetzen erklären, die im physikalischen Universum herrschen. Wir können die Naturordnung zugegebenermaßen nicht in ihrer gesamten Erscheinungsform begreifen, weil sie dafür zu komplex ist, und benötigen deshalb spezialisiertere Formen des Verstehens für praktische Zwecke. Wir können aber versuchen, die allgemeingültigen Prinzipien zu entdecken, die über jene Elemente herrschen, aus denen sich alles zusammensetzt, und die sich in jeder beobachtbaren raumzeitlichen Komplexität manifestieren. Dies sind die mathematisch angebbaren Gesetze der Elementarteilchenphysik, welche die fundamentalen Kräfte und Teilchen oder andere Entitäten und deren Interaktionen zumindest so lange beschreiben, bis eine noch fundamentalere Ebene entdeckt wird. Die möglichst systematische Beschreibung eines materiellen Universums, das sich in Raum und Zeit erstreckt, führt daher zu der fundamentalsten Erklärung von allem.
    Die Physik und die Chemie haben sich diesem Ziel mit spektakulärem Erfolg verschrieben. Doch beim Fortschritt der materialistischen Konzeption auf das Ideal der Vollständigkeit hin war die Evolutionstheorie, die später von der Molekularbiologie und durch die Entdeckung derDNA bestärkt und bereichert wurde, der große Schritt nach vorn. Die moderne Evolutionstheorie liefert ein allgemeines Bild davon, auf welche Weise die Existenz und Entwicklung des Lebens lediglich eine weitere Folge der Gleichungen der Teilchenphysik sein könnte. Auch wenn bislang keiner eine funktionierende Idee hat, wie das im Einzelnen aussehen soll, kann man spekulieren, dass das Auftreten von Leben das Ergebnis chemischer Prozesse war, die von den Gesetzen der Physik regiert wurden, und dass die Evolution im Anschluss daran ebenso chemischen Mutationen und natürlicher Auslese zuzuschreiben ist, die ebenfalls bloß superkomplexe Folgen physikalischer Prinzipien sind. Selbst wenn ein Restproblem bleibt, wie man das Bewusstsein mit physikalischen Ausdrücken genau darstellen soll, besagt die orthodoxe naturalistische Auffassung, dass die Biologie im Prinzip mit Hilfe der Physik und Chemie vollständig erklärt ist, und dass die Evolutionspsychologie eine grobe Idee davon vermittelt, wie alle unverwechselbaren Merkmale, die das menschliche Leben auszeichnen, auch als eine äußerst komplizierte Folge des Verhaltens physikalischer Teilchen in Übereinstimmung mit bestimmten grundlegenden Gesetzen betrachtet werden können. Dies wird letzten Endes eine Erklärung der kognitiven Fähigkeiten einschließen, die uns befähigen, jene Gesetze zu entdecken.
    Ich finde es verblüffend, dass diese Sicht der Dinge für mehr oder weniger selbstverständlich gehalten werden sollte, wie es meines Erachtens gewöhnlich der Fall ist. Jeder räumt ein, dass es ungeheuer viel gibt, was wir nicht wissen, und dass die Chancen, in der Zukunft weitere Verständnisfortschritte zu erzielen, enorm groß sind. Doch die Naturalisten in der Wissenschaft beanspruchen zuwissen, welche Form dieser Fortschritt annehmen wird, und sie meinen zu wissen, dass insbesondere die mentalistische, teleologische oder evaluative Intelligibilität als grundlegende Formen des Verstehens für immer überholt sind. Es wird nicht nur angenommen, dass die Ordnung der Natur intelligibel ist, sondern dass deren Intelligibilität eine bestimmte Form hat, die in den einfachsten und einheitlichsten physikalischen Gesetzen zu finden ist, welche die einfachsten und wenigsten Elemente regieren, aus denen alles andere hervorgeht. Das ist das, was die wissenschaftlichen Optimisten unter einer Theorie von allem verstehen. Solange die grundlegenden Gesetze selbst keine notwendigen Wahrheiten sind, bleibt die Frage, warum diese Gesetze gelten. Vielleicht macht es aber auch einen Reiz dieser Konzeption aus, dass wir dann, wenn die Gesetze nur einfach genug sind, mit ihnen zur Ruhe kommen können und uns damit zufriedengeben können zu sagen, so seien die Dinge nun einmal. Und überhaupt, was wäre denn die Alternative dazu?
    Genau das ist tatsächlich meine Frage. Die Unplausibilität des reduktiven Programms, das gebraucht wird, um die Vollständigkeit dieser Art von Naturalismus zu verteidigen, sorgt für einen Grund, über Alternativen nachzudenken – Alternativen, die in einer Darstellung von dem, was da ist, Geist, Sinn und Wert ebenso fundamental ansetzen wie Materie und Raumzeit. Um das Verhalten der
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