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Geist und Kosmos: Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist (German Edition)

Geist und Kosmos: Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist (German Edition)

Titel: Geist und Kosmos: Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist (German Edition)
Autoren: Thomas Nagel
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physikalische Wissenschaft sein. Damit eröffnet sich die Möglichkeit einer alles durchdringenden Konzeption der Naturordnung, die sich vom Materialismus stark unterscheidet – eine, die den Geist zumzentralen Faktum macht, anstatt zu einer Nebenwirkung der physikalischen Gesetzmäßigkeit.
    Es ist klar, dass die Schlussfolgerung aus antireduktionistischen Argumenten gegen den Materialismus nicht ewig rein negativ bleiben kann. Selbst wenn sich die Dominanz des materialistischen Naturalismus ihrem Ende nähert, brauchen wir eine Idee, was ihn denn ersetzen könnte. Was die unterschiedlichen reduktionistischen Programme in Bezug auf Geist, Wert und Bedeutung trotz der ihnen innewohnenden Unplausibilität motiviert, ist unter anderem das Fehlen irgendeiner umfassenden Alternative. Es mag zwar sein, dass der einzige Weg, die Argumente gegen die Reduktion zu akzeptieren, darin besteht, der ansonsten großartig vereinheitlichten mathematischen Ordnung des physikalischen Universums sonderbare Zusätze wie Qualia, Bedeutungen, Intentionen, Werte, Gründe, Überzeugungen und Wünsche hinzuzufügen. Aber das erfüllt nicht den Wunsch nach einem allgemeinen Verständnis, wie die Dinge zusammenpassen. Eine echte Alternative zum reduktionistischen Programm würde eine Darstellung verlangen, wie der Geist und alles, was mit ihm einhergeht, dem Universum inhärent ist.
    Ich stelle bloß ein bekanntes Argument auf den Kopf, um die Prämissen anzufechten. Der Materialismus verlangt den Reduktionismus; das Scheitern des Reduktionismus verlangt deshalb eine Alternative zum Materialismus. Mein Ziel ist nicht so sehr, gegen den Reduktionismus zu argumentieren, als zu untersuchen, welche Konsequenzen es hat, ihn zu verwerfen – das Problem darzustellen, anstatt eine Lösung vorzuschlagen. Der materialistische Naturalismus führt zu reduktionistischen Bestrebungen, weiles nicht akzeptabel erscheint, die Realität all der vertrauten Dinge zu leugnen, die auf den ersten Blick nicht physikalisch sind. Aber wenn keine plausible Reduktion verfügbar ist und wenn es weiterhin nicht akzeptabel ist, dem Geistigen die Realität abzusprechen, legt das nahe, dass die ursprüngliche Prämisse, der materialistische Naturalismus, falsch ist, und das nicht nur an ihren Rändern. Vielleicht ist die Ordnung der Natur nicht ausschließlich physikalisch; oder im schlimmsten Fall gibt es vielleicht keine umfassende Naturordnung, in der alles zusammenhängt – nur unzusammenhängende Formen des Verstehens. Aber was auch immer das Ergebnis sein mag, wir müssen von einer weiter gefassten Konzeption dessen ausgehen, was verstanden werden muss, damit die natürliche Welt für uns verständlich wird.

2
    Was mich leitet, ist die Überzeugung, dass der Geist nicht bloß ein nachträglicher Einfall oder ein Zufall oder eine Zusatzausstattung ist, sondern ein grundlegender Aspekt der Natur. Ganz abgesehen von den antireduktionistischen Argumenten in der Philosophie des Geistes wird der Schritt zu solch einer weiter gefassten Konzeption der Realität zusätzlich von einer Hintergrundbedingung der Wissenschaft gestützt. Die Wissenschaft wird von der Annahme angetrieben, dass die Welt intelligibel ist. Das heißt, die Welt, in der wir uns befinden und über die uns die Erfahrung etwas Information verschafft, kann nicht nur beschrieben, sondern auch verstanden werden. Hinter jedem Streben nach Wissen steht diese Annahme, Streben,an dessen Ende eine Täuschung steht, eingeschlossen. In den Naturwissenschaften, wie sie seit dem 17. Jahrhundert entwickelt wurden, hat die Annahme der Intelligibilität zu außerordentlichen, durch Voraussage und Experiment bestätigten Entdeckungen einer verborgenen Naturordnung geführt, die nicht allein durch menschliche Wahrnehmung erkennbar ist. Diese Entdeckungen hätten ohne die Annahme einer zugrunde liegenden intelligiblen Ordnung, die der wissenschaftlichen Revolution lange vorhergeht, nicht gemacht werden können.
    Was erklärt diese Ordnung? Eine Antwort könnte lauten, dass nichts sie erklärt: Die Erklärung kommt mit der Ordnung selbst an ein Ende, wobei uns die Annahme der Intelligibilität lediglich in die Lage versetzt hat, sie aufzudecken. Vielleicht lässt sich eine Ebene der Ordnung unter dem Gesichtspunkt einer noch tieferen Ebene erklären   – wie es in der Geschichte der Wissenschaft wiederholt geschah. Doch am Ende wird das Verständnis der Welt nach dieser Auffassung der Angelegenheit schließlich einen Punkt
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