Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geist und Kosmos: Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist (German Edition)

Geist und Kosmos: Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist (German Edition)

Titel: Geist und Kosmos: Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist (German Edition)
Autoren: Thomas Nagel
Vom Netzwerk:
unbelebten Welt zu erklären, schloss man auf die grundlegenden Elemente und Gesetze der Physik und Chemie. Um zu erklären, wie es bewusste, denkende Wesen geben kann, deren Körper und Gehirne aus diesen Elementen zusammengesetzt sind, ist etwas mehr nötig. Wenn wir die Welt als Ganzes verstehen wollen, müssen wir mit einemausreichend großen Datenbereich anfangen, und diese Daten müssen die offensichtlichen Tatsachen über uns selbst enthalten.

4
    Um die Grenzen des Territoriums abzustecken, in dem die Suche nach einem solchen Verständnis vor sich gehen muss, möchte ich nun etwas über den diametralen Gegensatz zum Materialismus sagen, über die Position nämlich, wonach der Geist anstelle der physikalischen Gesetzmäßigkeit die fundamentale Erklärungsebene für alles bereitstellt, einschließlich der Erklärung für die grundlegenden und allgemeingültigen physikalischen Gesetze selbst. Unter dem Aspekt, eine Erklärung für die Existenz und die Beschaffenheit der natürlichen Welt zu sein, wird diese Anschauung gewöhnlich in theistischer Form ausgedrückt. Das ist der geradlinigste Weg, die materialistische Reihenfolge der Erklärung umzudrehen, die den Geist als eine Folge physikalischer Gesetzmäßigkeit erklärt; der Theismus macht stattdessen die physikalische Gesetzmäßigkeit zu einer Folge des Geistes.
    Als Antwort auf die Forderung nach einer allumfassenden Form des Verstehens betrachtet, interpretiert der Theismus die Intelligibilität letztlich unter dem Gesichtspunkt der Intention oder der Absicht – und verweigert sich damit einem rein deskriptiven Endpunkt. Der Theismus platziert irgendeine Art von Geist oder Intention, die sowohl für die physikalische als auch die mentale Beschaffenheit des Universums verantwortlich ist, an den Außengrenzen der Welt, die alles einbegreift, samt derwissenschaftlich enthüllten, von Gesetzen beherrschten Naturordnung. Solange der göttliche Geist im Streben nach Verständnis einfach als Endpunkt akzeptiert werden muss, lässt der Theismus den Prozess unvollständig sein, gerade so wie es die rein deskriptive materialistische Darstellung tut.
    Damit die materialistische oder die theistische Erklärung ein vollständiges Verständnis der Welt bieten können, müsste es der Fall sein, dass entweder die Gesetze der Physik oder die Existenz und Eigenschaften Gottes und folglich seiner Schöpfung unmöglich anders sein können, als sie es sind. Physiker glauben Ersteres normalerweise nicht, [2] aber Theisten sind geneigt, Letzteres zu glauben. Das bedeutet nicht, dass eine theistische Weltanschauung deterministisch sein muss: Gottes Wesensnatur könnte ihn veranlassen, probabilistische Gesetze und Wesen mit freiem Willen zu erschaffen, deren Handlungen als freie Wahl erklärt werden. Aber irgendeine Art göttlicher Intention würde die Geschlossenheit stützen.
    Das am Theismus selbst für einen Atheisten Interessante ist, dass er das, was in der physikalischen Wissenschaft offenbar keine Erklärung findet, auf andere Weise zu erklären versucht. Die Unzulänglichkeiten des naturalistischen und reduktionistischen Weltbildes scheinen mir wirklich gegeben zu sein. Es gibt Dinge, die zu verstehen uns die Wissenschaft, so wie sie derzeit konzipiert ist, nicht hilft und bei denen wir aufgrund der internen Charakteristika der physikalischen Wissenschaft absehenkönnen, dass sie sie auch nicht erklären wird. Sie verlangen anscheinend eine kompromisslosere mentalistische oder sogar normative Form von Verständnis. Der Theismus macht sich diese Schlussfolgerung zu eigen, indem er die geistigen Phänomene, die in der Welt anzutreffen sind, dem Wirken einer umfassenden geistigen Quelle zuschreibt, von der diese Phänomene Miniaturausgaben sind.
    Ich halte den Theismus als eine umfassende Weltanschauung allerdings für kein bisschen glaubwürdiger als den Materialismus. Mein Interesse richtet sich auf das Gebiet, das zwischen beiden liegt. Ich glaube, dass es jenseits beziehungsweise diesseits dieser zwei äußerst gegensätzlichen Konzeptionen ultimativer Intelligibilität weitere Möglichkeiten gibt. Alle Erklärungen kommen irgendwo an ihr Ende. Sowohl der Theismus als auch der Materialismus behaupten, dass es auf der höchsten Ebene die eine Form von Verständnis gibt. Aber wäre nicht eine alternative säkulare Konzeption denkbar, die den Geist und alles, was er impliziert, nicht als den Ausdruck göttlicher Intention, sondern zusammen mit der physikalischen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher