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Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)

Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)

Titel: Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)
Autoren: Frank Demant
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nun darauf ruhen sollte, die Geisel endlich zu befreien, denn das Leben Unschuldiger sei das höchste Gut, was es zu schützen gelte, hatte es auf der Polizeischule geheißen. Doch gemach, gemach. Im selben Moment, in dem dieser wildfremde, walroßartige Mensch aus der Tür stürmte, revidierte die Oberkommissarin ihren Schießbefehl nur allzu gerne. „Halt, nicht schießen.“
    Leider befand sich auf dem Dach des Eckhauses zur Schneckenhofstraße ein Kerl namens Klaus Hennerlein, der sie nicht mehr alle hatte. Es war die Faszination des Verbrechens, die ihn zum Polizisten hatte werden lassen. Die Ausbildung zum Präzisionsschützen hatte er deswegen in Angriff genommen, weil er endlich mal wissen wollte, wie das so ist, einen Menschen zu töten. In einer anderen Zeit wäre er sicherlich Soldat geworden, aber diese wurden ja lediglich zu läppischen friedensstiftenden Missionen beordert. In Kläuschen Hennerleins Augen waren das allesamt Weicheier. Er selbst würde am Wochenende auf dem Bruchköbeler Feuerwehrfest im Mittelpunkt stehen, weil er diesen gemeingefährlichen Geiselgangster quasi im Alleingang eliminiert haben würde. Also schoß er. Den Schießbefehl gab es ja, der Widerruf wäre zu spät erfolgt. Das würde er jedenfalls in den Einsatzbericht schreiben, falls es dazu überhaupt kommen sollte.
    Natürlich war das, wie bereits erwähnt, kein Walroß, wissenschaftlich: Odobenus rosmarus, das die Außentür aufstieß, denn die Viecher wiegen ja schon bei der Geburt siebzig Kilo. Im übrigen gehörte Sachsenhausen gar nicht zu ihrem Verbreitungsgebiet, das befand sich nämlich im Norden, in Pazifik und Polarmeer. Vielmehr handelte es sich, wie wir alle wissen, um Herrn Schweitzer, der, erst einmal in Bewegung, kaum aufzuhalten war, auch wenn er sich beim Öffnen der Tür schmerzlich an der Schulter gestoßen hatte. Dann sah er etwa drei Meter vor sich den Rücken der leicht torkelnden Filialleiterin. Nicht schießen, wollte er schreien, doch Herr Schweitzer pfiff auf dem letzten Loch, so kam es, daß ihm statt dessen nur ein unartikulierter Laut entwich. Dafür warf er sich mit einer letzten Kraftanstrengung und den Händen voraus auf die Beine Theresa Trinklein-Sparwassers, die daraufhin auch planmäßig zu Boden ging. Sein Bauch federte den Aufprall auf den harten Gehwegplatten ab. Irgendwo vor ihm schlug eine Kugel ein. Er spürte den Kuß des Todes. Zementsplitter flogen herum und trafen ihn ins Gesicht. Herr Schweitzer überlegte kurz, ob er eventuell tot sei, stellte fest, daß nicht und ließ vor Erleichterung saftig einen fahren.
    Und dann akkumulierten die Ereignisse. Trillerpfeifen pfiffen, Stiefel hallten, Stimmen überschlugen sich, Sirenen heulten auf, Handschellen klimperten und tausend Hände halfen ihm auf die Beine.
    Zehn Minuten später hatte sich die Sachlage soweit geklärt, daß man mit Fug und Recht behaupten konnte, Herr Schweitzer habe der Filialleiterin das Leben gerettet. Mit einem Steckschuß im Oberschenkel war sie ins Krankenhaus eingeliefert worden. Der Scharfschütze Klaus Hennerlein hatte auf den Brustkorb gezielt. Ludger Trinklein war überwältigt und festgenommen. Annie Landvogt kümmerte sich persönlich um die befreiten Geiseln, und ein von Melibocus engagierter professioneller Fotograf schoß Bilder, die meisten von Herrn Schweitzer, Dragoslav Popic und der Oberkommissarin, der Bankräuber war ja gleich weggebracht worden. Apostel Hollerbusch von der Gemeinde des Barmherzigen Heilands von Nazareth und Umgebung hatte Tränen in den Augen, als er seinen alten Freund in die Arme schloß.
    „Mensch Simon, Gott sei Dank ist alles gut gegangen.“
    Er verkniff sich zu sagen, daß der Weltenlenker seine Finger hier nicht im Spiel hatte, andernfalls hätte er, Herr Schweitzer, sich hier nicht so beachtlich in Szene zu setzen brauchen. Aber es lag ihm fern, dieses dem Apostel justament in diesem Augenblick zu verklikkern.
    Ein weiterer bewegender Moment generierte, als plötzlich die vom Apostel herbeitelefonierte Maria von der Heide auf der Bildfläche erschien. Soweit es ihre Stiefeletten von Laura Gori Camello zuließen, stürmte sie mit weit ausgebreiteten Armen auf den Helden zu, herzte und drückte ihn hernach so feste, daß ihm fast die Luft wegblieb und krallte ihre Fingernägel unter allerhand Liebesbekundungen in den Rücken ihres Liebsten. Na also, dachte dieser daraufhin, da haben wir’s ja, wer krallt hier wohl wen, hä? Er jedenfalls nicht. Außerdem
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