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Geht das denn schon wieder los?

Geht das denn schon wieder los?

Titel: Geht das denn schon wieder los?
Autoren: Evelyn Sanders
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Minirock oder Hosenanzug natürlich nicht der Fall ist.
    Oma saß etwas verloren in der für die ältere Generation bestimmten Garage, dort gab es nämlich richtige Stühle und kleine runde Tische, während in den Zelten weitgehend Bierbänke dominierten. Wie mir später mitgeteilt wurde, hätte auch ich Anspruch gehabt auf einen Plastiksessel nebst Kissen, doch da hatte ich mich schon an »Zwar-keine-Rückenlehne-aber-dafür-eventuell-Splitter-im-Hintern« gewöhnt.
    Nun weiß ich aus leidvoller Erfahrung, dass Großeltern am liebsten über ihre Enkel reden. Ich hatte nämlich nicht nur zwei Großeltern-Paare gehabt, sondern noch eine Urgroßmutter und mehrere Großtanten, die zum Teil gar nicht echt gewesen waren, sich aber als so fühlten, und alle hatten immer alles von mir, über mich und mein Leben fern der Heimat wissen wollen, um es dann bei geeigneten Gelegenheiten weiterzugeben und Vergleiche zu ziehen mit den Enkeln von Nachbarn, Kränzchenschwestern und Skatbrüdern. Von meinem väterlichen Großvater weiß ich, dass er meine damaligen Briefe an ihn bei den regelmäßigen »Herrenabenden« vorzulesen pflegte, während meine Großmutter sie bei ihren Kränzchen-Nachmittagen zum Besten gab. Diese Briefe scheinen so eine Art Grundstein meiner literarischen Ambitionen gewesen zu sein!
     
    Nun lagen die Verständigungsschwierigkeiten zwischen Toms Oma und mir nicht etwa nur daran, dass ich sie kaum verstand, umgekehrt gab es wohl ähnliche Probleme, obwohl ich mir einbilde, einwandfreies Hochdeutsch zu sprechen. Der Berliner Dialekt war bei uns zu Hause immer verpönt, und wenn mir doch mal ein »Nee« oder ein »Weeß ick nich« rausrutschte, dann kam prompt ein »Wie heißt das?« zurück, und ich musste das jeweilige Wort in »richtigem« Deutsch wiederholen.
    Leider kam auch das richtige Deutsch bei Oma nicht an, es sei denn, ich sprach gaaanz langsam und prononciert, aber das hält man nicht lange durch, und so bat ich Oma, sie möge doch mal erzählen, wie Tom als Kind gewesen war. »Ist – er – ein – liieebes – Kind – gewesen?«
    Er war’s offenbar nicht, denn Oma erzählte sehr viel und sehr schnell, unterstrich manche Sätze mit beziehungsreichen Handbewegungen, schüttelte häufig den Kopf und blickte manchmal richtig finster drein. Allmählich verstand ich sogar schon halbe Sätze, konnte mir den Rest zusammenreimen und kam zu dem Schluss, dass mein Schwiegersohn nicht gerade das gewesen ist, was man einen lieben netten Jungen nennt.
    Er sah auch jetzt nicht wie ein solcher aus, als er sein Bierglas schwingend auf uns zukam. »Weshalb sitzt ihr denn hier auf dem Trockenen?«
    »Weil uns niemand was gebracht hat!«,
    »Hier bedient man sich selber … Oma, was willst du denn trinken?«
    Oma wollte aber gar nicht, vielmehr zog sie seinen Kopf zu sich herunter, was bei annähernd zwei Metern Restlänge gar nicht so einfach ist, und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
    »Wo die Toiletten sind? Lass mal gut sein, Oma, die findest du doch nicht, ich bringe dich besser hin!«
    Worauf Oma und Enkel von dannen schritten und ich ihnen in mäßigem Abstand folgte, denn die zwei gemieteten Dixi-Klos, die mich immer, wenn ich mal eins sehe, an die Schilderhäuschen vor dem Buckingham-Palast erinnerten, hatte ich auch noch nicht entdeckt. Allerdings waren alle beiden besetzt, ein Zustand, der sich im Laufe des Abends niemals änderte, bis ich mich schließlich an meine enge Verwandtschaft mit dem Brautpaar erinnerte und um den Wohnungsschlüssel bat.
    Inzwischen war es längst dunkel geworden, überall waren Lichter aufgeflammt, die in Form von alten Stalllaternen, Scheinwerfern, Spotlights und meterlangen Lichterketten alles beleuchteten, was beleuchtet werden musste, und das waren in erster Linie die beiden Fresstempel und natürlich jene Zelte, in denen man sich mit Teller, Besteck, Glas oder Flasche und Papierserviette – sofern nicht unterwegs weggeflogen – niederlassen konnte. Dort fand ich auch Anne und Karen wieder und gleich daneben Nicki und Jörg. Allein! Omi und Opi waren, obwohl ebenfalls geladen, auffallend bereitwillig zu Hause geblieben und sitteten Baby.
    »Wo warst du denn die ganze Zeit? Wir haben dich überall gesucht!«, behauptete Nicki nicht so ganz glaubhaft, aber wenigstens rückten sie zusammen, ich quetschte mich noch auf die Bank, und als ich gerade Karens Heringsalat auf der Gabel hatte, hielt mir jemand von hinten die Augen zu. Es waren weibliche Hände, und zwar sehr
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