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Gehetzt

Titel: Gehetzt
Autoren: Colin Forbes
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wobei er absichtlich den eigenen Körper in die Schußlinie brachte. In einwandfreiem Französisch fragte er ihn:
    »Welche Straße führt am schnellsten nach St. Quentin? Denken Sie daran, wir sind bewaffnet. Deshalb überlegen Sie sich Ihre Antwort gut. Also, welches ist der kürzeste Weg dorthin?«
    Der Franzose befeuchtete mit der Zunge die Lippen. Sein Blick wanderte zu dem Armeelastwagen, der gerade auf den Marktplatz kurvte und anhielt. Von der Ladefläche sprangen mit Gewehren und Maschinenpistolen bewaffnete deutsche Soldaten. Der Unteroffizier, der die Abteilung befehligte, warf einen Blick auf eine detailgetreue Stabskarte der Gegend.
    Dann blickte er kurz auf und deutete auf ein Haus. Mehrere Soldaten stürmten hinein.
    Draußen auf dem Platz hatte der schnauzbärtige Franzose seine Entscheidung getroffen. Er wollte seine Frau und die anderen Dorfbewohner schützen. Er deutete auf die Straße, die die Motorradstreife genommen hatte, und versuchte dabei krampfhaft, das Zittern seiner Hand zu unterdrücken.
    »Diese Straße führt nach St. Quentin. Ich schwöre Ihnen, es ist die einzige direkte Verbindung dorthin.«
    Meyer nickte und wandte sich um. Sein Körper deckte immer noch den Franzosen. Der General schob die Pistole ins Halfter.
    »Er behauptet, das sei die direkte Straße nach St. Quentin. Ich bin überzeugt, er sagt die Wahrheit.«

    »Na schön, wenn Sie sich da so sicher sind.«
    Der General drehte sich nach dem Feldwebel um, der mit seinen Leuten in der Nähe stand.
    »Erzählen Sie ihnen, wir kämen als ihre Befreier. Warnen Sie sie aber, daß beim geringsten. Anzeichen von Widerstand alle erschossen werden.« Ungeduldig winkte er ab. »Ach was, Sie wissen schon, was Sie zu tun haben. Wir rücken weiter vor.«
    Der General gab seinem Fahrer einen knappen Befehl, und der Kommandopanzer rollte vom Platz. Eilig kletterte Meyer in seinen Panzer und folgte ihm. Die Dorfbewohner rührten sich nicht von der Stelle, konnten den Alptraum immer noch nicht begreifen, der sich am hellichten Tag vor ihren Augen abgespielt hatte.
    ›Ich habe recht‹, dachte der General in seinem Panzer, der jetzt aus dem Dorf ins offene Land hinausrollte. ›Ich bin sicher, daß ich mit meiner Einschätzung richtig liege.‹
    Er überließ sich einen Moment dem aufkeimenden Triumphgefühl. ›Es wird keinen nennenswerten Widerstand geben.‹
    Die Dorfbewohner waren das beste Beispiel dafür. Der Schock über den Vorstoß hatte die Moral der Franzosen angeschlagen; der Feind war, psychologisch gesehen, völlig hilflos.
    Weiter – nur weiter, den Keil tiefer ins Herz Frankreichs treiben!
    Und die deutsche Panzerspitze – die 14. Panzerdivision unter dem Kommando von General Heinrich Storch – stieß im Eiltempo in Richtung Küste vor.

    Seit über vierundzwanzig Stunden waren sie nun schon in dem Tunnel verschüttet, und die Anspannung machte sich immer deutlicher bemerkbar. Über sechzehn Stunden lang hatten sie versucht, sich den Weg nach draußen freizuschaufeln, hatten die großen Felsen mit bloßen Händen nach hinten gewälzt, hatten Erdreich und Felsgeröll mit den Spaten, die in Halterungen an den Außenwänden des Panzers hingen, beiseite geräumt. Doch hinderte selbst ihre Erschöpfung sie nicht am Nachdenken, und die Männer fragten sich allmählich, ob sie jemals lebend aus diesem verdammten Tunnel herauskommen würden.
    Barnes richtete sich auf, stützte sich erschöpft auf die Schaufel und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er wandte sich dem Scheinwerferstrahl zu und schaute auf die Uhr. Es war genau 19 Uhr – am Freitag, dem 17. Mai.
    Am Morgen des Vortages gegen elf Uhr waren sie in dem Tunnel in Deckung gegangen, und trotz aller Anstrengungen sprach nichts dafür, daß sie ihrem Ziel, dem Durchstich des Erdrutsches, auch nur einen Schritt näher gekommen waren.
    Davis und Reynolds mühten sich gerade im unbarmherzigen Licht der Scheinwerfer mit einem massigen Felsblock ab, versuchten mit vereinten Kräften, ihn aus der tonnenschweren Verschüttung herauszulösen. Davis und Reynolds arbeiteten als Team, während Barnes und Penn sich mit den Schaufeln bewaffnet hatten – eine vernünftige Arbeitsteilung, denn die beiden waren am kräftigsten. Barnes lehnte sich gegen die Tunnelwand und beobachtete die anderen. Er hatte jetzt eine Viertelstunde Pause. Ganz bewußt hatte er die Arbeit paarig aufgeteilt, so daß immer zwei Mann gleichzeitig fünfzehn Minuten pro Stunde pausieren und sich dabei auch
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