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Gehetzt

Titel: Gehetzt
Autoren: Colin Forbes
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dieser Pontonbrücke gerechnet hatte. Ihm war schon gemeldet worden, daß britische Tanks durch Lemont rollten, um sie von hinten anzugreifen, und daß eine Panzerabteilung vergeblich versucht hatte, den Feind abzufangen. Was auch immer Meyer befürchtet hatte, es war nun eingetreten.
    Die gewaltige Explosion, der Storch zum Opfer fiel, war der letzte Beweis. Da keine feindlichen Flieger gemeldet worden waren, mußten die Briten irgendwo in der Nähe schwere Artillerie zusammengezogen haben. Damit hatten sie das Munitionsdepot in die Luft gejagt.
    Meyer hörte eine Stimme und meldete sich.
    »Keller, hier ist Meyer. General Storch ist tot. Die Briten greifen von Süden her an – ja, von Süden. Blasen Sie sofort den Angriff auf Dünkirchen ab, haben Sie verstanden? Sie haben das überflutete Land im Rücken, deshalb müssen Sie…«
    Mitten im Satz brach die Verbindung ab, doch Meyer genügte es, daß Keller seinen Befehl verstanden hatte. Wieder erschütterte eine Reihe heftiger Explosionen den beginnenden Tag. Das Tanklager!
    Zum erstenmal kam Meyer der schreckliche Verdacht, daß er sich doch geirrt haben könnte. Er hörte Flugzeuge, die in niedriger Höhe den Platz überflogen, und gleich darauf das Bellen der Flak. Mit einem Fluch stürzte er in den Garten hinaus.
    Im gleichen Moment erhielt das Haus einen Volltreffer, ein schwerer Mauerbrocken erschlug den Oberst, die einstürzenden Wände begruben die Leiche unter sich.

    Punkt 3.55 Uhr überflog Squadron Leader Paddy Browne mit seiner Staffel Blenheims die französische Küste. Seine Befehle waren ungewöhnlich allgemein gehalten, ließen ihm einen unglaublichen Ermessensspielraum. Aber schließlich war auch die ganze Situation unglaublich und ungewöhnlich. Die Evakuierung des britischen Expeditionsheeres, das die deutschen Panzer vor sich hertrieben, war in vollem Gange.
    Von Minute zu Minute änderten sich die Positionen, waren ›fließend‹ geworden, wie Kriegsberichterstatter es ausdrückten. Brownes eigentliches Zielobjekt war der Eisenbahnknotenpunkt Arras, doch hatte man ihm die Wahl des Objekts freigestellt für den Fall, daß er beim Anflug feindliche Bodeneinheiten entdeckte und sie einwandfrei identifizieren konnte.
    »Aber pfeffern Sie, um Himmels willen, nicht in unsere eigenen Jungs hinein«, hatte ihm der Einsatzoffizier geraten.
    Browne war nicht sonderlich mit der Gegend um Gravelines und Lemont vertraut, doch als er jetzt mit seiner Staffel das Gebiet überflog, zog ein riesiger Rauchpilz am Horizont magisch seinen Blick an. Der Pilz wuchs und wuchs immer höher am Morgenhimmel empor, als sollte diese ganze Ecke von Frankreich in die Luft gesprengt werden.
    Besser, wir sehen mal nach, dachte Browne, und gab der Staffel den Befehl zum Anflug. Zwei Faktoren überzeugten ihn schnell davon, daß er es mit dem Feind zu tun hatte. Fast unverzüglich setzte das Flakfeuer ein, und außerdem erspähten seine scharfen Augen unten am Boden Käfer, die wild durcheinander krochen.
    Er konnte es kaum glauben, aber er glaubte es trotzdem.
    Hunnenpanzer – ein ganzes Lager!
    Ohne zu überlegen machte Browne von seiner Entscheidungsfreiheit Gebrauch: Er befahl den Bombenabwurf. Eine Bombenlawine regnete zur Erde nieder, und als die Staffel abdrehte, rührte sich unten am Boden nichts mehr.
    Brownes Kommentar beim Rückflug war typisch für ihn:
    »Wie nett von ihnen, uns ein Rauchzeichen zu geben.«
    Auch Lieutenant Jean Durand von der 14. Französischen Kürassiereinheit mochte im ersten Moment seinen Augen nicht trauen, als er durch das Fernglas die überflutete Region absuchte. Seine Einheit war mit der Bewachung dieses Sektors im vorgelagerten Verteidigungsgürtel rund um Dünkirchen beauftragt. Bis jetzt war’s ein ruhiger Morgen gewesen. Wie hätte es auch anders sein sollen, da Panzer noch nicht über Wasser fahren konnten. Aber wieso konnte es dieser Idiot da vorne?
    Über das Feldtelefon bat er den englischen Verbindungsoffizier unverzüglich zu sich. Diesen Anblick mußte man unbedingt mit jemandem teilen.
    Tief über den Lenker eines Fahrrades gebeugt, durchquerte eine einsame Gestalt die endlose Wasserfläche. Dabei hob der Fahrer nicht einmal den Kopf, als wüßte er den Weg auswendig. Barnes mußte mit gesenktem Kopf fahren, um die Straße zehn Zentimeter unter der Wasseroberfläche sehen zu können. Automatisch, ohne zu überlegen, trat er in die Pedale.
    Er hatte schon seit längerem nicht mehr aufgeblickt und wußte nicht, daß er den
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