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Gehetzt

Titel: Gehetzt
Autoren: Colin Forbes
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den Atem raubte. Ein Fenster im Obergeschoß eines Hauses flog auf. Der Vorhang mußte direkt am Rahmen angebracht sein, denn heller Lichtschein fiel jetzt auf die Straße und den Tank.
    Ein deutscher Soldat steckte seinen Kopf mit dem puddingförmigen Helm heraus. Der Mann stieß einen überraschten Ruf aus, langte hinter sich und hob eine Maschinenpistole hoch. Colburn reagierte sofort und feuerte zweimal. Der Deutsche kippte langsam aus dem Fenster und stürzte in den Garten hinunter.
    »Barnes, ein Jerry hat ein Fenster geöffnet und uns gesehen. Ich war aber schneller als er.«
    Diesmal wünschte sich Colburn das Interkom als Zweiwegsystem. Es war, als redete man mit einem Gespenst.
    »Wenn es im Haus ein Telefon gibt, haben sie uns bald am Wickel. Vielleicht hatte der Bursche aber nur ein Stelldichein mit einem Mädchen und hat in seiner Eile vergessen, den Helm abzunehmen«, versuchte er zu scherzen.

    Barnes lächelte grimmig über den Witz. Schön, wenn es so wäre: Das Mädchen könnte dann einen Nachbarn zu Hilfe holen und mit ihm die Leiche des Soldaten in den nahen Kanal werfen. Doch das war unwahrscheinlich, denn das Dorf war offensichtlich evakuiert worden. Sie gingen besser davon aus, daß die Deutschen jetzt gewarnt waren.
    Bald mußten sie die Hügelkuppe erreichen, ganz in der Nähe der Stelle, an der Barnes mit Jacques den Kanal auf einem großen Lastkahn überquert hatte.
    War da oben schon wieder was im Gange? Er spürte fast körperlich, wie Colburn den Atem anhielt.
    Colburn vergaß tatsächlich zu atmen. Die Häuser und die Uferböschung waren plötzlich Nebensache. Sie hatten die Hügelkuppe erreicht, und er starrte gebannt geradeaus. Sein Mund wurde trocken vor Furcht, einer Furcht, wie er sie auf ihrer ganzen Fahrt durch Lemont noch nicht erlebt hatte.
    Von der Hügelkuppe hatte er freie Sicht über die Straße vor sich. Eine endlose Lichterkette rollte auf ihn zu, und der Himmel hinter dem nächsten Hügel reflektierte den Lichtschein von der Straße. Kein Zweifel, eine Panzerkolonne näherte sich ihnen – vielleicht sogar mit dem Auftrag, sie abzufangen. ›Mein Gott‹, dachte Colburn, ›und ich glaubte schon, wir hätten es geschafft. Jetzt ist alles aus. Vorbei!‹
    »Barnes, vor uns ist der Teufel los – jede Menge Fahrzeuge, die auf uns zurollen. In ein paar Minuten dürften sie hier sein. Wahrscheinlich sollen sie uns abfangen. Müssen Panzer sein – eine ganze Horde.«
    Barnes’ Reaktion überraschte den Kanadier. Er merkte, wie Bert Tempo zulegte und immer schneller den Abhang hinunterratterte, als ob Barnes den Zusammenstoß mit der Kolonne kaum erwarten könne. Im ersten Moment glaubte Colburn, der Sergeant sei verrückt geworden, doch am Fuß des Abhanges stoppte der Panzer, die Scheinwerfer erloschen.

    Barnes öffnete das Luk und schob die Kiste mit den Sprengkapseln an ihren alten Platz. Dann stellte er den Sitz in eine höhere Position, so daß sein Kopf aus dem Fahrabteil ragte.
    »Wie weit waren die Fahrzeuge entfernt?« rief er zu dem Kanadier hoch.
    »Etwa achthundert Meter, schätzungsweise. Genau kann ich das nicht sagen.«
    »Waren es vielleicht nur vierhundert?«
    »Nein, mindestens achthundert. Barnes, unsere Scheinwerfer…«
    »Ich habe sie abgeschaltet. Ich möchte vermeiden, daß sie uns die Uferböschung hochfahren sehen.«
    »Da hinauf?«
    Colburn betrachtete entsetzt den steilen Hang, der sechs Meter hoch vor ihnen aufragte. War Barnes übergeschnappt?
    Vielleicht hatte der Sergeant nicht richtig verstanden, was er über die Stärke der Kolonne gesagt hatte.
    »Da kommen mindestens zwanzig oder dreißig Fahrzeuge auf uns zu«, rief er vom Turm herunter.
    »Hören Sie, Colburn.« Barnes’ Stimme klang erregt. »Wir werden nicht gegen sie antreten, sondern versuchen, sie zu überlisten. Ich habe mit Jacques den Kanal genau gegenüber dieser Straße hinter uns auf dem Rückweg zum Gehöft überquert. Wir gingen über einen großen Lastkahn, der ein Deck wie ein Flugzeugträger besaß. Der Kahn überbrückt fast den ganzen Kanal. Wir stoßen jetzt hier rückwärts in diese Seitenstraße und fahren dann mit Vollgas die Böschung hinauf.«
    »Schaffen wir das denn?«
    »Das werden wir sehen, doch uns bleibt keine andere Wahl. Es ist unsere einzige Chance. Es wird gleich hell, und wenn wir es jetzt nicht versuchen, bleiben wir auf der Strecke. Wenn wir oben ankommen, haben Sie nur einen Sekundenbruchteil Zeit, um mich genau auf den Lastkahn zu dirigieren.
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