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Gehen (German Edition)

Gehen (German Edition)

Titel: Gehen (German Edition)
Autoren: Thomas Bernhard
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wir vorausgesehen haben, sagt Oehler. Nach vier oder fünf Minuten waren wir in der Absicht, den Park in der Klosterneuburgerstraße aufzusuchen, in den Park in der Klosterneuburgerstraße hineingegangen, sagt Oehler, setzt voraus, daß wir vier oder fünf Minuten gewußt haben, daß wir in den Park in der Klosterneuburgerstraße hineingehen werden. Wie, wenn ich sage, gehen wir zum Obenaus hinein , bedeutet, daß ich gedacht habe, gehen wir zum Obenaus hinein , unabhängig davon, ob ich zum Obenaus hineingehe oder nicht, daß wir zum Obenaus hineingehen oder nicht. Aber in solchen Gedanken sind wir verloren, sagt Oehler, und es ist zwecklos sich längere Zeit mit solchen Gedanken zu beschäftigen. So sind wir immer dabei, die Gedanken die wir haben und die wir immer haben, weil es unsere Gewohnheit ist, immer Gedanken zu haben. Gedanken wegzuwerfen, wir werfen das ganze Leben, so weit wir wissen, Gedanken weg, wir tun nichts anderes, weil wir nichts anderes sind, als Menschen, die fortwährend ihre Köpfe wie Abfallkübel umkippen und entleeren, wo sie auch sind. Haben wir einen Kopf voller Gedanken, kippen wir den Kopf um wie einen Abfallkübel, sagt Oehler, und nicht alles auf einen Haufen, sagt Oehler, sondern immer dort, wo wir gerade sind. Deshalb ist die Welt voller Gestank, weil alle überall ihre Köpfe entleeren wie Abfallkübel. An dem Gestank, den dieser unendliche Gedankenunrat verursacht, sagt Oehler, wird die Welt, werden wir eines Tages zweifellos ersticken, wenn wir nicht eine andere Methode finden. Es ist aber unwahrscheinlich, daß es eine andere Methode gibt. Alle füllen ihre Köpfebedenkenlos und rücksichtslos an und entleeren sie, wo sie wollen, sagt Oehler, diese Vorstellung ist es, die mir die grauenhafteste von allen Vorstellungen ist. Der Denkende faßt ja auch sein Denken als ein Gehen auf, sagt Oehler. Er sagt mein oder sein oder dieser Gedankengang. Es ist also vollkommen richtig zu sagen, gehen wir in diesen Gedanken hinein, wie wenn wir sagten, gehen wir in dieses unheimliche Haus hinein. Weil wir es sagen, sagt Oehler, weil wir diese Vorstellung haben, weil wir, so hätte Karrer gesagt, diese sogenannte Vorstellung von einem solchen sogenannten Gedankengang haben. Gehen wir (in Gedanken) weiter, sagen wir, wenn wir einen Gedanken weiterentwickeln wollen, wenn wir vorwärts kommen wollen in einem Gedanken. Dieser Gedanke geht zu weit und so fort, wird gesagt. Wenn wir glauben, rascher gehen zu müssen (oder langsamer), denken wir, rascher denken zu müssen, obwohl wir wissen, daß Denken keine Frage der Geschwindigkeit ist, es handelt sich zwar, wie wenn es sich um Gehen handelte, um etwas, das Gehen ist, aber mit Geschwindigkeit hat Denken nichts zu tun, sagt Oehler. Zwischen Gehen und Denken besteht der Unterschied, daß Denken nichts mit Geschwindigkeit zu tun hat, Gehen aber tatsächlich immer mit Geschwindigkeit. Zu sagen also, gehen wir rasch zum Obenaus hinein oder gehen wir rasch auf die Friedensbrücke, ist vollkommen richtig, aber zu sagen, denken wir rascher, denken wir rasch, ist falsch, es ist Unsinn, und so fort, so Oehler. Wenn wir gehen, sagt Oehler, handelt es sich um sogenannte Gebrauchsbegriffe (so Karrer), wenn wir denken, handelt es sich ganz einfach um Begriffe. Wir können aber ohne weiteres, sagt Oehler, Denken zu Gehen machen, umgekehrt Gehen zu Denken, ohne daß wir davon abgehen, daß Denken nichts mit Geschwindigkeit zu tun hat, Gehen alles. Wir können auch immer wieder sagen, sagt Oehler, jetzt sind wir den und den Weg, gleich welchen Weg, zuende gegangen, während wir niemals sagen können, jetzt haben wir diesen Gedanken zuende gedacht, dasgibt es nicht und es hängt damit zusammen, daß zwar Gehen aber nicht Denken mit Geschwindigkeit zu tun hat, Denken überhaupt nicht, Gehen ganz einfach Geschwindigkeit ist. Aber darunter gibt es, wie in allem, sagt Oehler, die Welt (und also das Denken) der Gebrauchs- oder der Hilfsbegriffe. Durch die Welt der Gebrauchsbegriffe oder der Hilfsbegriffe, kommen wir weiter, nicht durch die Welt der Begriffe. Tatsächlich sind wir jetzt in der Absicht, den Park in der Klosterneuburgerstraße aufzusuchen, nach vier oder fünf Minuten im Park in der Klosterneuburgerstraße. Wir haben noch das für die Vögel unter der Friedensbrücke bestimmte Vogelfutter in unseren Manteltaschen. Oehler sagt plötzlich: haben auch Sie noch das für die Vögel unter der Friedensbrücke bestimmte Vogelfutter in Ihren Manteltaschen? worauf
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