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Geheimnis Um Mitternacht

Geheimnis Um Mitternacht

Titel: Geheimnis Um Mitternacht
Autoren: Candace Camp
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schnellen und landete einen Volltreffer gegen das Kinn seines Gegners. Wyngate stolperte einige Schritte zurück und brach zusammen.
    „Aufhören!", rief Irene. „Sofort aufhören!"
    Keiner der Männer schenkte ihr jedoch Beachtung. Sie wandten sich ihr nicht einmal zu. Der Fremde ließ nicht von ihrem Vater ab, sondern streckte sogar wieder die Hand aus, um ihn ein weiteres Mal auf die Füße zu ziehen.
    „Aufhören!", schrie Irene noch einmal. Als sie sah, dass sie weiter ignoriert wurde, hob sie eine Pistole und feuerte in die Luft. Sie hörte das leichte Klirren, als die Kugel den Kronleuchter über ihr traf und einige der Kristalle zu Boden fielen.

    Beide Männer erstarrten. Der Fremde richtete sich auf und drehte den Kopf in ihre Richtung, und auch ihr Vater lenkte seinen Blick zu ihr. Irene bemerkte ihren Vater kaum. Ihre Augen waren wie gebannt auf den anderen Mann gerichtet.
    Er war groß, und seine breiten Schultern füllten seinen Anzug erstaunlich gut aus. Es war offensichtlich, dass sein Schneider es nicht nötig hatte, seinen Gehrock auszupolstern, um ihm die gewünschte Form zu geben. Sein Haar war schwarz wie die Nacht, und er trug es ein wenig länger, als die Mode es diktierte. Sein Gesicht schien nur aus scharfen Linien zu bestehen - attraktiv, aber doch hart und undurchdringlich. Die einzig sichtbaren Zeichen seiner Wut waren eine leichte Färbung auf seinen Wangenknochen und das unmissverständlich zornige Glitzern in seinen Augen.
    Sie hatte schon attraktivere Männer als ihn gesehen. Es war etwas Raues, beinahe Rohes an ihm, das ihn eindeutig von den anderen, eleganteren Gentlemen der Gesellschaft unterschied, an die sie gewöhnt war. Und doch hatte er eine größere Wirkung auf sie als jeder Gentleman, den sie je getroffen hatte. Als sie ihn ansah, fühlte sie ein seltsames Ziehen in ihrem Körper, eine Art Aufruhr tief in ihrem Innersten, und sie hatte Mühe, den Blick von ihm abzuwenden.
    „Irene?", keuchte Lord Wyngate und kam mühsam auf die Beine.
    „Natürlich bin ich es", antwortete sie, nicht sicher, ob sie sich mehr über ihren Vater ärgerte, der so ein Chaos in ihr Haus brachte, oder über den unbekannten Mann, der solch seltsame und beunruhigende Gefühle in ihr weckte.
    „Wer sollte es wohl sonst sein?"
    „Gutes Mädchen", nuschelte Wyngate, der leicht hin und her schwankte. „Wusste, ich kann mich auf dich verlassen."
    Irene presste die Lippen zusammen. Es verdross sie, dass sie ihrem Vater helfen musste.
    Seit sie denken konnte, war ihr Vater die Hauptursache für Unglück und Sorge im Leben jeder Person um ihn herum gewesen. Die Dienerschaft, ihre Mutter, ihr Bruder und sie selbst lebten in ständiger Furcht vor ihm. Er hatte ein unberechenbares Temperament, ein unstillbares Verlangen nach Alkohol und geriet immer wieder in Scherereien. Als Kind hatte sie nur gewusst, dass er ihre Mutter zum Weinen und die Dienerschaft zum Zittern brachte. Sie hatte gelernt, ihm aus dem Weg zu gehen, vor allem, wenn er betrunken war. Mit zunehmendem Alter durchschaute sie seine vielen Sünden immer besser - das Spielen und das Huren, das mit seiner Trunksucht Hand in Hand ging, seine vielen Exzesse, sowohl die finanziellen als auch die des Fleisches. Lord Wyngate war ein Wüstling, und noch schlimmer, häufig auch ein grausamer Mann, der die Angst, die die Menschen um ihn herum fühlten, genoss.
    Irene war trotzdem beigebracht worden, dass sie ihn lieben solle und dass er Respekt verdiene, weil er ihr Vater war. Diese Lektion hatte sie nie wirklich verinnerlicht. Sie wusste, dass sie kein so guter Mensch war, ihm einfach zu vergeben oder ihn trotz all seiner Fehler zu lieben, so wie ihre Mutter es anscheinend konnte. Anders als ihr Bruder Humphrey machte sie auch nicht immer das, was von ihr erwartet wurde, und fühlte sich nicht verpflichtet, ihm Loyalität und Respekt entgegenzubringen, nur weil die Tradition es verlangte.
    Wenn jemand Vater angreift, dachte Irene, hat er es vermutlich verdient. Trotzdem war er ihr Vater, und sie konnte diesem Fremden nicht einfach erlauben, ihn zu töten.
    „Denkst du nicht, dass es ein bisschen spät ist, um sich in der Eingangshalle zu prügeln?", fragte sie in dem kalten Kommandoton, der bei ihrem Vater immer noch die größte Wirkung zeigte, wie sie inzwischen wusste.
    Lord Wyngate zog seinen Gehrock glatt und klopfte ihn in der ungeschickten, vorsichtigen Art der Betrunkenen ab.
    Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und blickte dann mit
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