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Geheime Macht

Geheime Macht

Titel: Geheime Macht
Autoren: Ilona Andrews
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Blick. Ich trug braune Hosen, ein weißes langärmeliges Hemd und darüber eine Lederweste. Der Hauptvorteil der Weste waren ihre Millionen Taschen. Meine zwei SIG s steckten in einem Zwillingsschulterholster. Der Schakal rümpfte die Nase. Ja, genau, ich roch nicht wie eine normale Bouda.
    »Jim hat mich geschickt«, sagte ich zu Stefan.
    Stefan zog die Augenbrauen hoch. » Der Jim?«
    »Ja. Hat die Polizei Raphael schon freigelassen?« Meine Eingeweide verkrampften sich.
    »Nein.«
    Gott sei Dank. Ich war ein Feigling. Ein schrecklicher, erbärmlicher Feigling. »Ich muss den Tatort untersuchen.«
    Endlich konnte der Schakal den Geruch identifizieren. »Du bist …«
    Stefan trat einen Schritt zur Seite und trat dem Schakal beiläufig mit seinem stahlverstärkten Arbeitsstiefel auf den Fuß. »Sie wurde mit diesem Fall betraut. Komm mit, Andrea. Ich werde dir alles zeigen.«
    Er ging geduckt in den Tunnel. Ich nahm meine Sonnenbrille ab, steckte sie in eine Westentasche und folgte ihm. Ein trockener Steingeruch wehte mir entgegen, vermischt mit etwas anderem. Die zweite Note legte sich auf meine Zunge, und dann erkannte ich, was es war: der schwache, kaum wahrnehmbare Gestank des ersten Verwesungsstadiums.
    Wenn sich die Magie über ein Gebäude hermachte, nagte sie zuerst am Beton. Sie setzte an wahllos verteilten Stellen an, bis sich alles in Staub verwandelte. Schließlich stürzte das Ganze wie ein morscher Baum um. Der Beton und andere zerbrechliche Bestandteile lösten sich auf, aber Metall und sonstiger wertvoller Schrott überdauerten. Recyclingfirmen drangen in die eingestürzten Gebäude ein und bargen das Metall und alles andere, das sich noch verkaufen ließ.
    Ruinen wie diese waren instabil. Man brauchte schon eine gehörige Portion Wahnsinn, um sich in ein Gebäude zu graben, das jeden Moment über einem zusammenstürzen konnte. Gestaltwandler waren für diese Arbeit bestens geeignet. Erstens waren wir alle sowieso verrückt, zweitens konnten wir mit unseren Körperkräften schnell arbeiten, und die durch Lyc-V unterstützte Regeneration ließ Knochenbrüche in Rekordzeit wieder zusammenwachsen.
    Ungeachtet seiner sonstigen Fehler hatte Raphael großen Wert darauf gelegt, die Knochenbrüche auf ein Minimum zu reduzieren. Der Durchgang war zwei Meter breit. Dicke Stahlträger und Steinsäulen stützten die Decke. Maschendraht sicherte die Wände. Ich maß knapp einen Meter sechzig, aber Stefan war fünfzehn Zentimeter größer, und auch er musste sich nicht ducken. Eine Kette aus elektrischen Lampen verlief an der Decke und verbreitete ein trübes, flackerndes Licht. Wir warteten kurz ab, bis sich unsere Augen an das Zwielicht gewöhnt hatten, und gingen dann weiter.
    Der Tunnel führte abwärts.
    »Erzähl mir von diesem Gebäude«, sagte ich.
    »Es stürzte etwa sieben Jahre nach der Wende ein, zusammen mit dem Gebäude von Georgia Power hinter der Stadtverwaltung. Vor dem Einsturz war es ein dreißigstöckiger Turm aus blauem Glas in Form eines V. Es wurde von Jamar Groves erbaut und vermietet. Jamar war ein Immobilienentwickler, und dieses Baby war sein ganzer Stolz. Er nannte es das Blue Heron Building. Die Leute rieten ihm, es zu räumen, aber er hatte es sich in den Kopf gesetzt, dass sein Haus nicht einstürzen würde. Er muss hier immer noch irgendwo sein.« Er deutete mit einem Nicken zur Decke. »Beziehungsweise seine Knochen.«
    »Er ist mit seinem Schiff untergegangen?« Der Verwesungsgestank wurde stärker und klebte wie Schimmel an den Wänden.
    »Ja. Jamar war offensichtlich ein schräger Vogel.«
    »Nur arme Leute sind schräge Vögel. Reiche Leute sind exzentrisch.«
    Stefan musste grinsen. »Jedenfalls hatte Jamar eine große Kunstsammlung und ein paar interessante Ideen. Zum Beispiel hatte er im zweiten Stock ein Badehaus aus Marmor im römischen Stil einrichten lassen.«
    »Also habt ihr es auf den Marmor abgesehen?«, fragte ich.
    »Vergiss den Marmor. Wir suchen nach den Kupferrohren. Im gesamten Gebäude wurden altmodische Kupferrohre verlegt. Der Kupferpreis hat derzeit ein Rekordhoch erreicht. Selbst Kupferdraht ist richtig teuer. Wenn man den Kunststoff wegschmelzen lässt, ist es natürlich doppelt so viel wert, aber das machen wir nicht. Der Rauch ist extrem giftig, sogar für uns. Hier gibt es auch Stahl, aber Kupfer ist die eigentliche Beute. Deshalb hat Raphael das Gebäude gekauft.«
    »Er hat das Gebäude gekauft?« Vor ein paar Monaten, als Raphael und ich zusammen
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