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Geheime Macht

Geheime Macht

Titel: Geheime Macht
Autoren: Ilona Andrews
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ich tat. Wenn das nicht verrückt war, wusste ich nicht, was es war.
    Seit meiner Teenagerzeit hatte ich nicht mehr mit einem Messer geschlafen. Dieser Rückfall in die Vergangenheit war gar nicht gut und musste so schnell wie möglich enden.
    Wumm-wumm!
    Ich erreichte die Tür und reckte mich auf Zehenspitzen empor, um durch den Spion zu lugen. Auf der anderen Seite stand eine große Schwarze in den Fünfzigern. Ihr graues Haar war zerzaust, sie trug ein Nachthemd, und ihr Gesicht war so sehr von Sorgen zerfurcht, dass ich sie kaum wiedererkannte. Mrs Haffey. Sie wohnte mit ihrem Ehemann in der Wohnung genau unter mir.
    Normalerweise betrachtete Mrs Haffey ihr Erscheinungsbild als ernsthafte Angelegenheit. Was ihre Kampfbereitschaft betraf, war sie meine große Heldin. Ich hatte sie nie ohne Make-up und tadellose Frisur gesehen. Damit bestand nicht der geringste Zweifel, dass etwas nicht stimmte.
    Ich schloss die Tür auf.
    »Andrea!«, keuchte Mrs Haffey. Hinter ihr zogen sich lange weiße Fäden durch den Flur und das Treppenhaus. Ich war mir zu einhundert Prozent sicher, dass sie noch nicht da gewesen waren, als ich mich vergangene Nacht in meine Wohnung geschleppt hatte.
    »Was ist passiert?«
    »Darren ist verschwunden!«
    Ich zog sie in meine Wohnung und schloss die Tür. »Sie müssen mir alles langsam und deutlich von Anfang an erzählen. Was ist geschehen?«
    Mrs Haffey atmete einmal tief durch. Sie war seit fünfundzwanzig Jahren mit einem Polizisten verheiratet und konnte auf eine reichhaltige Erfahrung mit Notfällen zurückgreifen. Ihre Stimme klang fast wieder normal. »Ich bin aufgewacht und habe Kaffee gemacht. Darren ist aufgestanden und mit Chief nach draußen gegangen. Dann habe ich geduscht, und als ich damit fertig war, war er noch nicht zurück. Ich bin auf den Balkon gegangen, aber Darren war nicht an seiner üblichen Stelle.«
    Ich wusste genau, wo diese übliche Stelle war, zwei Stockwerke unter meinem Schlafzimmerfenster, wo Chief, die Bulldogge der Haffeys, vorzugsweise sein Revier markierte. Ich roch es jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit. Natürlich nahm auch Chief meine Witterung wahr, was seine Entschlossenheit umso mehr stärkte, urinierend seine territoriale Vorherrschaft zu unterstreichen.
    »Ich habe Darren immer wieder gerufen, aber nichts rührte sich. Dann wollte ich nach unten gehen. Überall auf dem Treppenabsatz ist Blut, und eine weiße Substanz auf den Treppen hat mir den Weg versperrt.«
    »Hat Mr Haffey seine Waffe mitgenommen?«
    Mr Haffey war aus dem Dienst bei der Paranormal Activity Division der Polizei von Atlanta ausgeschieden. Polizisten der PAD nahmen es sehr genau mit ihren Waffen. Soweit ich wusste, verließ Darren Haffey das Haus niemals ohne seinen stupsnasigen Revolver vom Typ Smith & Wesson M&P340.
    »Er nimmt immer seine Waffe mit«, sagte Mrs Haffey.
    Und er hatte nicht damit geschossen, weil sein Revolver mit Magnum-Patronen vom Kaliber 357 gefüttert wurde. Wenn er abdrückte, klang der Schuss, als würde eine kleine Kanone losgehen. Ich hätte den Knall gehört und selbst im Traum sofort erkannt, worum es sich handelte. Was auch immer geschehen war, es war schnell geschehen.
    Die mysteriöse »weiße Substanz« musste als Folge der magischen Welle in der vergangenen Nacht erschienen sein. Kate, meine beste Freundin, hatte meine Wohnung vor Monaten mit einem Wehr versehen. Unsichtbare Zaubersprüche schirmten meine Räume durch eine schützende Barriere ab. Kate hatte die Seitenwände, die Decke und den Boden gesichert. Alles Magische hätte große Schwierigkeiten gehabt, sich Zugang zu verschaffen, was wahrscheinlich erklärte, warum ich die ganze Nacht lang ungestört geschlafen hatte.
    »Sie wissen, dass Darren blind wie eine Fledermaus ist«. Mrs Haffey rang die Hände. »Er könnte gar nicht sehen, worauf er schießt. Neulich kam er fluchend aus dem Bad gerannt und hatte Schaum um den Mund. Er hatte sich die Zähne nicht mit Zahnpasta, sondern mit Rheumacreme geputzt …«
    Ein hysterischer Unterton schlich sich in ihre Stimme. Mit einem Meter achtundsiebzig war sie zwanzig Zentimeter größer als ich und beugte sich zu mir herab. »Ich habe auf der Wache angerufen, aber dort sagte man, dass sie erst in zwanzig Minuten oder später da sein werden. Und da Sie beim Orden waren, dachte ich mir …«
    Ich hatte tatsächlich dem Orden angehört. Als ich eine Ritterin der mildtätigen Hilfe war, bestand meine Aufgabe darin, Menschen zu unterstützten,
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