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Gefuehlsecht

Gefuehlsecht

Titel: Gefuehlsecht
Autoren: Andrea Russo
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kurz PMS genannt. Stimmungsschwankungen, Antriebslosigkeit, Reizbarkeit, aggressives Verhalten und unkontrollierte Heulattacken machen nicht nur mir, sie machen auch Jürgen das Leben schwer. Die Hormone sind schuld! Deswegen kann ich mich nicht freuen.
    Vielleicht hätte Jürgen einfach noch eine Woche warten sollen mit seinem Antrag. Oder ihn ein paar Tage früher aussprechen müssen. Immerhin kennt er mich jetzt schon so lange, da müsste er doch eigentlich wissen, wie ich ticke, wenn ich PMS habe. Das sind die besonders anstrengenden Tage vor der Regel, an denen ich morgens aufwache und am liebsten »Hallo, Arschloch!« sagen würde, auch wenn Jürgen gar nicht mehr neben mir liegt.
    Ich bin gereizt, habe Pickel, fange völlig grundlos an zu heulen, finde, dass ich einen dicken Hintern und Orangenhaut auf den Oberschenkeln habe, und sehe plötzlich überdeutlich die ersten Fältchen. Ständig stopfe ich irgendetwas in mich rein. Knusprige Waffelröllchen mit Cremefüllung Vanillegeschmack. Gibt es bei Aldi. Danach ein Stück Fleischwurst oder ein Brötchen mit Leberkäse und Senf. Und danach eine Ritter Sport Nougat oder einen Löffel Nutella. An normalen Wochentagen ernähre ich mich weitestgehend gesund: viel Obst, Fisch, wenig Fleisch. Jürgen achtet sehr auf unsere Ernährung und ist auch dabei absolut konsequent. Hähnchenhaut oder Fettaugen auf der Suppe sind bei uns absolut tabu.
    An PMS-Tagen aber ist Jürgen mir scheißegal. Denn da ist alles anders. Plötzlich habe ich Lust auf Kakao mit Sahne. Wenn mein Arm wehtut, sehe ich darin das erste Anzeichen für einen Bandscheibenvorfall. Und bei Seitenstechen droht bestimmt bald ein Herzinfarkt. Ständig stoße ich überall an und bin übersät mit blauen Flecken. Meistens an der Hüfte, weil ich die Kurve um gemein platzierte Tische nicht bekomme. Ich lasse dauernd etwas fallen und suche mehrmals am Tag meine Schlüssel. Und wenn ich sie dann endlich gefunden habe, ist mein Portemonnaie weg. Es sind diese Tage, an denen ich Einkaufszettel für Edeka schreibe und sie dann strategisch ungeschickt auf dem Küchentisch liegen lasse. Und in Gedanken erschieße ich die unfreundliche Verkäuferin, die keine Anstalten macht, mich bedienen zu wollen. Egal, ich werde ja ohnehin von der Richterin freigesprochen. Festnahmerecht § 127, Schuldunfähigkeit wegen hormoneller Unzurechnungsfähigkeit. Ob Jürgen verstehen wird, dass ich seinen Heiratsantrag nicht annehmen kann, weil ich gerade PMS habe?
    Das ausgekratzte Nutellaglas und die geleerte Eisweinflasche auf dem Tisch starren mich noch immer an. Mir ist schlecht. Und außerdem kalt. Die Idee von Maja mit der Badewanne war gar nicht so übel. Und danach schmeiß ich mich wirklich ins Bett.



3
    Ich hab was Schönes für dich und freu mich schon auf dein Gesicht!
     
    Am liebsten bade ich im Baby-Kamillebad von Penaten. Ich habe schon alle möglichen anderen Schäume und Essenzen ausprobiert, komme aber immer wieder darauf zurück. Die zweihundert Liter Warmwasser duften mich einladend an. Dass es so viel ist, weiß ich übrigens ganz genau. Das hat Jürgen mir mal vorgerechnet, nachdem wir eine enorme Nebenkosten-Nachzahlung bekommen hatten. Einmal Baden kostet ungefähr zwei Euro. Die schmeiß ich immer demonstrativ in Schotte. Das ist mein »Schaumschwein«, das ich auf die Wannenablage gestellt habe. Wenn die nächste Abrechnung kommt, wird Schotte geschlachtet. So einfach ist das. Und rechtfertigen muss ich mich auch nicht mehr.
    Wankend schäle ich mich aus meinem Schlafanzug und den Wollsocken, dabei fällt mein Blick in den Badezimmerspiegel. Du meine Güte! Nicht nur dass ich einen Heiratsantrag bei einem Blowjob bekommen habe, ich habe dabei auch noch einen dicken Flanellschlafanzug und rote Wollsocken getragen. Wie peinlich ist das denn?
    Vielleicht sollte ich doch Nonne werden und irgendwo in ein Kloster ziehen? Dieser Entschluss wäre nicht neu, mit zwölf Jahren habe ich ihn zum ersten Mal gefasst. Damals war ich unsterblich verliebt. In Jean-Paul Belmondo. Danach in Adriano Celentano, in Terence Hill und dann in Robbie Williams, der mit Take That damals gerade groß rauskam. Und dann wurde ich dreizehn. Mit dreizehn hatte ich meinen allerersten Orgasmus ganz mit mir alleine. Ich denke, damit hat der ganze Ärger angefangen.
    Es passierte, wie sollte es auch anders sein, in der Badewanne. Es war der sanfte und dennoch feste Wasserstrahl des Duschkopfes, der mich völlig überrascht mit diesem
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