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Gefuehlschaos inklusive

Gefuehlschaos inklusive

Titel: Gefuehlschaos inklusive
Autoren: Sabine Richling
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heraus und schaue es eine Weile nur so an. Dann werfe ich es von einer Hand in die andere. Natürlich wäre es eine Genugtuung, das Kännchen einfach kraftvoll auf den Boden zu werfen. Doch ich möchte auf keinen Fall, dass er mich mit dem Tod der Kanne in Verbindung bringt. Also stelle ich sie an den Rand des Tisches, sodass sie nur mit einer Hälfte auf der Platte steht. Dann öffne ich das Fenster, schnappe mir meine Sachen und tapse zur Tür. Der Durchzug bläst mir mein Haar ins Gesicht, als ich aus der Wohnung trete. Sachte lasse ich die Tür zufallen und drehe den Schlüssel herum. Von einigem Ballast befreit, fahre ich weiter in Sandras Wohnung, um mich für das Abendessen mit meinem Chef umzuziehen.
     
    Sandra ist nicht da und somit habe ich alle Zeit der Welt, das Badezimmer ausgiebig lange zu besetzen. Als ich meine Reisetasche nach etwas Passendem zum Anziehen durchwühle, finde ich nichts, was diesem Anlass hätte gerecht werden können. Also grabe ich in Sandras Schrank herum und stoße auf ein schwarzes, tief ausgeschnittenes Kleid. Schnell ziehe ich es über und grüble vorm Spiegel, ob ich nicht etwas zu aufgedonnert aussehe. Ich zupfe an meinem Dekolleté herum und schaue auf die Uhr an der Wand. Auwei, schon nach halb acht. Wie ein aufgescheuchtes Huhn hüpfe ich auf nur einem Schuh zur Tür. Den anderen halte ich in der Hand und versuche, ihn mir während des Laufens über den Fuß zu stülpen. Ein letzter Check-up im Spiegel, ein zügiger Griff nach meiner Handtasche und schon renne ich die Treppen hinunter, drücke die Haustür auf und eile zu meinem Wagen. Unterm Scheibenwischer klemmt ein Strafzettel. Schöne Bescherung! Das ist wohl die Strafe für meine kriminellen Machenschaften in Ullrichs Wohnung. Meiner Wohnung. Ach, egal! Ich schaffe die Strecke zum Lokal in absoluter Rekordzeit. Um zehn nach acht betrete ich das Restaurant. Der Kellner führt mich zu einem Tisch, an dem Herr Ruhland bereits auf mich wartet. Mein Gott, er sieht mich so seltsam an. Vermutlich habe ich mit dem Kleid die falsche Wahl getroffen. Er erhebt sich von seinem Stuhl und begrüßt mich mit einem erstaunten Blick.
    Ich hätte in Jeans kommen sollen.
    „Sie sehen umwerfend aus, Frau Sander.“
    „Vielen Dank.“
    Er mustert mich schweigsam, nachdem wir unsere Plätze eingenommen haben. Diese Stille zwischen uns ist mir unangenehm. Kann er nicht irgendetwas sagen? Ich lächle ihn verkrampft an und suche nach einem Gesprächsthema. Natürlich fällt mir nichts ein, daher kommt es mir sehr gelegen, dass der Kellner eine Schale mit Oliven zwischen uns stellt. Da hab ich doch gleich etwas, woran ich mich festhalten kann. Herr Ruhland gibt die Bestellung auf, ohne mich vorher zu fragen, wonach mir der Sinn steht. In der Regel hasse ich es, wenn ein Mann einfach bestimmt, was ich esse, aber in diesem Moment bin ich Herrn Ruhland sehr dankbar dafür. Meine Aufregung hindert mich ganz sicher daran, mich für ein Essen zu entscheiden.
    „Ich hoffe, Sie sind mit meiner Wahl einverstanden“, sagt er endlich.
    „Aber sicher, ich liebe Fisch. Da kann man bei mir gar nichts falsch machen. Woher wussten Sie das?“
    „Nun ja, ich habe geraten.“
    Schon wieder verstummen wir und sehen uns in die Augen. Das heißt, ich schaue ihm in die Augen, könnte sein, dass sein Blick hin und wieder abdriftet – in meinen Ausschnitt. Ich habe das Falsche an. Das nächste Mal engagiere ich vorher eine Typ-Beraterin, die mich präzise abgestimmt für solch einen Abend einkleidet. 
    „Sie wirken seit ein paar Tagen ein wenig unkonzentriert bei der Arbeit“, bemerkt er mit einem Mal. „Möchten Sie vielleicht darüber reden?“
    Mir bleibt die Olive im Hals stecken. Schnell greife ich nach der Serviette und huste hinein. Herr Ruhland lässt mir ein Glas Wasser bringen und klopft mir unterdessen auf den Rücken.
    „Wird es jetzt besser?“, fragt er besorgt.
    Die Olive sucht sich ihren richtigen Weg in die Speiseröhre und der Hustenanfall geht vorüber.
    „Ja, es geht schon wieder, danke.“
    Träume ich oder hat mir mein Chef wirklich gerade angeboten, mich bei ihm auszusprechen? Wie kommt er nur darauf, dass ich mich ihm anvertrauen möchte?
    „Das ist wirklich sehr nett von Ihnen, Herr Ruhland, aber da gibt es nichts, worüber ich reden könnte. Es ist alles okay.“
    „Also schön, wenn Sie es sich anders überlegen, dann können Sie jederzeit zu mir kommen.“
    Verwundert reibe ich mein Ohr. Ist es möglich, dass ich mich in
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